Mommsen: "Der Neandertaler legt die Keule aus der Hand"

Foto: SWR/Peter A. Schmidt
Robert Döhring (Oliver Mommsen) muss sich mit den Protesten der Bürger auseinandersetzen, nachdem bekannt geworden ist, dass sein Bruder Georg (Martin Feifel) wegen Vergewaltigung gesessen hat.
Mommsen: "Der Neandertaler legt die Keule aus der Hand"
Wenn er nicht gerade im Bremer Tatort als Kommissar Stedefreund ermittelt, kann man ihn meist in Liebesfilmen und Komödien erleben. Jetzt spielt Oliver Mommsen eine Rolle in einem brisanten Gesellschaftsdrama: in dem an wahre Fälle angelehnten Film "Ein offener Käfig" (Mittwoch, 10. September, 20.15 Uhr, ARD). Mommsen stellt den Autohändler Robert dar. Dessen Bruder Georg (Martin Feifel) wird als verurteilter Vergewaltiger aus der Haft entlassen und will bei seinem Bruder wohnen. Roberts Freundin und die Nachbarn sind empört. Wie wird er reagieren?

Herr Mommsen, haben Sie Geschwister?

Oliver Mommsen: Ich habe drei Stiefbrüder und einen Halbbruder. Ich komme also aus einer modernen Patchworkfamilie, auch wenn man das Wort in meiner Kindheit noch gar nicht kannte.

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Würden Sie Ihren Geschwistern auch beistehen, wenn sie etwas Schlimmes getan hätten? In dem Film "Ein offener Käfig" spielen Sie einen biederen Autohändler, der seinen Bruder bei sich aufnimmt – einen aus der Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung entlassenen Vergewaltiger.

Mommsen: So was kann und will man sich ja eigentlich nicht vorstellen. Ich bete und hoffe, dass es nie dazu kommt. Was mir an dem Film sehr gut gefällt, ist, dass er zeigt, wie Menschen versuchen, mit so einer Situation umzugehen. Die Personen im Film sind dazu gezwungen. Ich persönlich für mich habe da keine Antwort. Das würde ich entscheiden, wenn es soweit ist.

Was hat Sie an der Rolle dieses Normalbürgers in der moralischen Zwickmühle gereizt?

Mommsen: Ich bin großer Fan der alten Harrison-Ford-Filme wie "Auf der Flucht" oder "Frantic", in denen es um normale Leute von nebenan geht, die keine Superkräfte oder irgendwelche Besonderheiten haben. Die dann mit einer Situation konfrontiert werden, die weit über das hinausgeht, was sie eigentlich stemmen können. Wie reagiert so eine Figur? Das finde ich spannend. Beim "Tatort"-Kommissar ist es klar, da ist man Polizist und weiß, wo man steht. Sich auf so einen Normalo einzulassen, der mit etwas Riesengroßem konfrontiert wird, war für mich ein Abenteuer.

"Viele Schauspieler werden mit ihren Rollenprofil verwechselt"

Haben Sie sich auf die Rolle besonders vorbereitet?

Mommsen: Ich gehe an jede Figur so ran, dass ich erst mal das Drehbuch immer und immer wieder lese und versuche, mich in den Charakter reinzusaugen. Warum reagiert der so? Warum nicht anders? Und ansonsten recherchiere ich zu dem  jeweiligen Thema. Besorge mir Literatur, wühle mich durchs Internet und versuche Menschen zu treffen, die mir etwas dazu erzählen können. Die Geschichte von "Ein offener Käfig" hat sich ja 2009 in der Realität ganz ähnlich abgespielt. In einer Gemeinde in der Eifel wehrten sich die Bürger dagegen, dass ein Vergewaltiger in die Nachbarschaft zog, als wäre er ein Monster.

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Dem aus der Haft entlassenen Täter steht eine zweite Chance zu. Aber würden Sie als Vater von zwei Kindern so jemanden zum Nachbarn haben wollen?

Mommsen: Das Tolle an dem Film ist, dass er einen dazu bringt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und von diesem Moment an legt der innere Neandertaler die Keule aus der Hand und man kommt zu einer aufgeklärteren Sichtweise, zu differenzierten Antworten. Deshalb finde ich Filme wie diesen, die solche Fragen stellen und solche Versuchsanordnungen zeigen, ganz toll und wichtig.

Dann ist es also kein Zufall, dass man Sie jetzt schon zum zweiten Mal kurz nacheinander in einem so ernsten Film sieht?

Mommsen: Ich habe in kurzer Zeit vom SWR zwei Rollen in Produktionen bekommen, die eigentlich außerhalb meines gewohnten Profils liegen. Das war einmal in "Komasaufen" der überforderte Stiefvater eines Jungen, und gleich danach kam die Rolle in "Ein offener Käfig". Das sind für mich ganz ungewöhnliche Rollen, für die ich normalerweise nicht gebucht werde. Normalerweise denken die Leute ja, wenn der Mommsen mitspielt, wird es entweder witzig oder er knutscht irgendwo rum – oder es ist ein "Tatort".

Im "Tatort" aus Bremen spielen Sie den Bremer Kommissar Nils Stedefreund. Das öffnet Ihnen doch sicherlich viele Türen?

Mommsen: Der "Tatort" macht auf jeden Fall neue Wege auf, aber er macht andere auch zu, weil viele mich nur als Kommissar Stedefreund sehen und sich schwer etwas anderes vorstellen können. Viele Schauspieler werden mit ihrem Rollenprofil verwechselt, haben aber ein ganz anderes Potential. Ich freue mich, jetzt etwas zeigen zu können, was in der Form noch nicht von mir verlangt wurde.

"In Deutschland gehen gerne mal Schubladen zu schnell auf und wieder zu"

Steht als Nächstes wieder ein Film zu einem so brisanten Thema auf Ihrem Drehplan?

Mommsen: Ich hätte jetzt ehrlich gesagt wahnsinnig Lust, mal wieder was richtig Lustiges zu machen. Aber warum nicht auch mal eine Schurkenrolle? Ich habe anscheinend ein bestimmtes Image, weil ich so aussehen kann, als könnte ich kein Wässerchen trüben. Wenn man das im Film mal so einsetzt, dass ich unten im Keller eine Leiche liegen habe, da wäre ich sofort dabei. Ich bin leidenschaftlicher Schauspieler und arbeite auf Zuruf. Wenn ich mit Herz und Bauch an eine Rolle andocken kann, dann bin ich dabei. Wenn das nicht passiert und ich noch ein paar Mücken auf dem Konto übrig habe, sage ich ab. (lacht)

Begonnen haben Sie Ihre TV-Karriere als erste männliche Sprechstundenhilfe im deutschen Fernsehen...

Mommsen: Das war Ende der 90er Jahre in der RTL-Serie "Dr. Monika Lindt". Zu Beginn meiner Karriere war es nicht so, dass man auf der Straße auf mich zugerannt wäre und gefragt hätte: "Pass mal auf, willst du die Hauptrolle in diesem fantastischen Film spielen, der den Grimme-Preis bekommen wird?" Nein, ich habe mich erst mal durch Deutschlands Krankenhausserien gearbeitet.

Ist Ihnen das im Rückblick peinlich?

Mommsen: Nein, gar nicht. Ich merke zwar immer noch, dass der ein oder andere da die Nase rümpft, aber bei Soaps und Serien wird unter hohem Zeitdruck schwer professionell gearbeitet, und ich muss sagen: Ich habe damals definitiv auch mein Handwerk gelernt. In Deutschland gehen gerne mal Schubladen zu schnell auf und wieder zu.

Im Anschluss an "Ein offener Käfig" zeigt das Erste um 21.45 Uhr die Dokumentation "Wieder draußen..." über aus der Haft entlassene Gewaltverbrecher.