Bayern nimmt keine Flüchtlinge mehr auf

Die Unterkünfte für Asylbewerber, wie hier in Zirndorf, platzen aus allen Nähten
Foto: dpa/Daniel Karmann
Die Unterkünfte für Asylbewerber, wie hier in Zirndorf, platzen aus allen Nähten
Bayern nimmt keine Flüchtlinge mehr auf
Die Flüchtlingsunterkünfte in Bayern platzen aus allen Nähten. Nach München nimmt nun auch die zweite Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf niemanden mehr auf.

Die Situation bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Bayern wird immer dramatischer. In den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in München sowie in Zirndorf (Kreis Fürth) wurden Aufnahmestopps verhängt. Nach dem Ausbruch der Masern in der ehemaligen Bayernkaserne München wurden alle im Freistaat ankommenden Flüchtlinge seit mehreren Tagen nach Zirndorf in Mittelfranken umgeleitet. Dort ist trotz eigens aufgestellter Mannschaftszelte nun auch kein Platz mehr, wie das bayerische Sozialministerium am Mittwoch mitteilte.

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Noch am Morgen hatte die bayerische Diakonie vor einem Kollaps in Zirndorf gewarnt. Diakonie-Vize Tobias Mähner erklärte, es sei fraglich, wie lange das Aufnahmesystem dieser extremen Belastung noch standhalte. Derzeit kämen täglich rund 100 neue Asylsuchende im Freistaat an. Hinzu kämen die syrischen Kontingentflüchtlinge, von denen knapp 3.000 in Bayern untergebracht werden müssen, sowie die ehemaligen afghanischen Mitarbeiter der Bundeswehr. Mähner forderte die Bundesregierung auf, leerstehende Gebäude des Bundes bereitzustellen.

In Zirndorf sind gegenwärtig mehr als 1.600 Flüchtlinge untergebracht. Offiziell hat die Erstaufnahmeeinrichtung etwa 650 Plätze. "Die Folgen für die Asylsuchenden sind katastrophal", sagte Mähner. Die Unterbringung der Flüchtlinge in beheizten Zelten seit Montag habe "dramatische Folgen für die sanitären und sozialen Wohnverhältnisse". Mitarbeiter der Diakonie berichteten, dass gerade die Schutzbedürftigsten und Schwächsten am meisten unter der enormen Überfüllung leiden: Kranke, Menschen mit Behinderung, Familien mit Kindern.

Zelte reichen nicht

In anderen Bundesländern ist die Lage angesichts stark ansteigender Flüchtlingszahlen ähnlich. Die Stadt Duisburg wollte Flüchtlinge in Zelten auf einem Sportplatz unterbringen. Nach massiver öffentlicher Kritik wird es dazu nun wohl doch nicht kommen. Allein im Juli musste Nordrhein-Westfalen 3.500 Menschen aufnehmen - 80 Prozent mehr als im gleichen Monat des Vorjahres.

Das bayerische Sozialministerium erklärte, man habe sich mit dem Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verständigt, über die Einrichtung in Zirndorf einen vorübergehenden teilweisen Aufnahmestopp zu verhängen. Auch die am Montag aufgestellten beheizten Zelte reichten nicht mehr aus, um weitere Flüchtlinge vertretbar unterzubringen. Dies sei ein "übliches Verfahren" in Ausnahmesituationen, wie es auch in anderen Bundesländern in ähnlichen Situationen angewendet worden sei.

Verteilung an Landkreise

Wie lange der Aufnahmestopp in Zirndorf dauere, könne man derzeit nicht abschätzen, sagte eine Sprecherin des Sozialministeriums. Der am Freitag verhängte Aufnahme- und Weiterleitungsstopp in der Münchner Bayernkaserne wegen der dortigen vier Masernfälle gelte bis zum Ende der Inkubationszeit - sofern keine weiteren Erkrankungen aufträten. Nach Ministeriumsangaben impfen die Gesundheitsbehörden derzeit die dort untergebrachten Flüchtlinge, um eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.

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Bis zur Aufhebung der Aufnahmestopps nimmt Bayern nur noch Asylbewerber auf, für die eine alleinige Zuständigkeit des Freistaats bei der Bearbeitung der Anträge besteht - das sind jedoch nur sehr wenige Fälle. Neu ankommende Flüchtlinge würden vorübergehend in anderen Bundesländern untergebracht, hieß es. Die Diakonie Bayern forderte, die Weiterleitung aus den Erstaufnahmeeinrichtung an andere Standorte im Freistaat zu beschleunigen. Die Bezirksregierungen verteilen Asylbewerber bereits seit Montag zwangsweise an Landkreise.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wirft Bund, Ländern und Gemeinden eine verfehlte Flüchtlingspolitik vor. "Es gibt auf keiner Ebene ein vorausschauendes Konzept", kritisierte Geschäftsführer Günter Burkhardt im "Kölner Stadt-Anzeiger".