Umgang mit Heimkindern: "Empathie reicht nicht"

Umgang mit Heimkindern: "Empathie reicht nicht"
Die bisherige Leiterin der neu eröffneten Berliner Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder, Daniela Gerstner, hat schwere Vorwürfe gegen die Politik erhoben.
02.04.2012
Von Jürgen Heilig

Die gesamte Fondslösung sei nicht nur schlecht vorbereitet, sondern werde jetzt auch schlecht umgesetzt, kritisierte die Sozialpädagogin und Traumafachberaterin in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gerstner hat nach nur wenigen Wochen ihre Tätigkeit aufgekündigt und die Beratungsstelle Ende März verlassen.

Die Anlaufstelle war am 19. Januar eröffnet worden. Ehemalige Heimkinder können seit Jahresanfang Anträge auf finanzielle Hilfen stellen. Dafür wurde in jedem Bundesland mindestens eine Beratungsstelle eingerichtet. In dem für Hilfsleistungen vorgesehenen Fonds stehen insgesamt 120 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld stammt von Bund, Ländern und Kirchen.

"Unverantwortlich, Hoffnungen zu wecken und sie dann nicht zu erfüllen"

Bislang gebe es noch nicht einmal richtige Antragsformulare, berichtete Gerstner. "Ich halte es für unverantwortlich, bei den Betroffenen Hoffnungen zu wecken und sie dann nicht zu erfüllen." Die Anfang des Jahres bundesweit eingerichteten Beratungsstellen seien aus ihrer Sicht weder personell und räumlich, noch von den Fondslösungen und von der Qualifikation der Mitarbeiter hinreichend auf ihre Aufgabe vorbereitet. In Berlin haben sich in den ersten drei Monaten bereits rund 250 Betroffene gemeldet.

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Aufgrund des Verzichts auf eine Änderung des Sozialgesetzbuches sei auch nicht eindeutig geregelt worden, dass Leistungen aus dem Fonds nicht wieder von etwaig bezogener Sozialhilfe abgezogen werden. "Da muss jetzt nur das Sozialamt einer finanzschwachen Kommune kommen und die Betroffenen sind die Dummen", sagte Gerstner. Die Frustration der Betroffenen habe mittlerweile dazu geführt, dass ihnen künftig bei der ersten Beratung 250 Euro bar ausgezahlt werden sollen, berichtete die bisherige Beratungsstellenleiterin. Ursprünglich waren die Ansprüche der Betroffenen auf reine Sachleistungen begrenzt.

Beratungsstelle sollte keiner Behörde angegliedert sein

Die umstrittene Verzichtserklärung werde den ehemaligen Heimkindern inzwischen nicht mehr abverlangt, sagt Gerstner. Bislang war vorgesehen, dass sie bereits mit Abgabe ihres Antrages auf alle gesetzlichen Ansprüche verzichten, ohne zu wissen, ob ihnen Fondsleistungen zustehen. Dies sei jetzt im Zusammenhang mit der Einigung über Leistungen für ehemalige DDR-Heimkinder auch für westdeutsche Betroffene fallengelassen worden.

Die Berliner Beratungsstelle hat bundesweit einen guten Ruf, weil sie die einzige in freier Trägerschaft ist. Es sei "absolut wünschenswert", dass eine solche Einrichtung keiner Behörde angegliedert ist, mit denen die Betroffenen schlechte Erfahrungen gemacht haben, betont Gerstner. Notwendig wäre allerdings, dass freie Träger bereits Erfahrungen mit Beratungsstellen haben: "Empathie und Verwaltungskenntnisse reichen für den Umgang mit teilweise schwer traumatisierten Menschen nicht aus", sagte sie dem epd.

epd