Emden: EKD-Experte kritisiert Vorverurteilungen im Internet

Emden: EKD-Experte kritisiert Vorverurteilungen im Internet
Im Fall des ermordeten elfjährigen Mädchens hat die Polizei einen Jugendlichen verhaftet. Nun stellte sich heraus, der 17-Jährige ist unschuldig. Doch im Internet kursieren längst sein Name und seine Anschrift. Dies kritisiert der Internetexperte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Sven Waske. Im Internet gehe häufig Schnelligkeit vor Richtigkeit. Außerdem seien einmal dort verbreitete Nachrichten, kaum noch aus der Welt zu schaffen.
30.03.2012
Von Karen Miether

Der Internetexperte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Sven Waske, hat vor einer vorschnellen Verurteilung im Internet wie im Mordfall der elfjährigen Lena aus Emden gewarnt. Im Netz müssten die gleichen Regeln wie in anderen Bereichen gelten, sagte der Leiter der kirchlichen Internetarbeit am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Hannover: "Wenn wir uns davon verabschieden, verabschieden wir uns von einer menschlichen Gesellschaft und von einem verlässlichen Rechtssystem."

Nach der Verhaftung eines 17-Jährigen war über facebook zur Lynchjustiz aufgerufen worden. Am Freitag stellte sich die Unschuld des Jugendlichen heraus. Waske rief dazu auf, Ruhe in die Diskussion zu bringen. "Ermittlungsarbeit braucht Zeit, da können wir nicht erwarten, dass im Stundentakt Ergebnisse präsentiert werden", betonte der EKD-Experte.

Die Gefahr: Schnelligkeit geht vor Gerechtigkeit

Im Netz waren noch weitere Unschuldige denunziert worden. "Das Internet hat eine ganz eigene Dynamik", sagte der Oberkirchenrat. Netzwerke wie facebook oder twitter erhöhten die Gefahr, dass Schnelligkeit vor Richtigkeit gehe: "Die Öffentlichkeit will einen Täter präsentiert bekommen. Da atmen wir nicht noch mal durch und schauen genauer hin." Zudem verbreite sich eine mal eben mit dem Smartphone gesendete Nachricht im Schneeballsystem und sei dann oft nicht mehr aus der Welt zu bringen: "Wenn ich früher zu Unrecht beschuldigt wurde, konnte ich noch hoffen, dass Gras darüber wächst."

Die vermeintliche Anonymität der Nutzer verführe außerdem zu einer ungehemmteren Kommunikation, sagte der Pastor. "Eingeübte Umgangsformen gelten dann nicht mehr." Bei sozialen Netzwerken wie facebook pflegten zudem die meisten Nutzer vor allem Kontakte zu Gleichgesinnten. Sie bestärkten sich in ihren eigenen Positionen und schaukelten sich gegenseitig in ihrer Anschauung hoch. "Wir müssen immer wieder deutlich machen, dass das ein eingeschränkter Blick ist." 

epd