TV-Tipp des Tages: "Zweiohrküken" (Sat.1)

TV-Tipp des Tages: "Zweiohrküken" (Sat.1)
Der Lack der Beziehung von Ludo und Anna ist ganz schön ab. Und dann taucht auch noch Marie auf, Sexbombe und eine von Ludos vielen Exxen.
30.03.2012
Von Tilmann P. Gangloff

"Zweiohrküken", 6. April, 2.15 Uhr auf Sat.1

Bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft hat man dazugelernt: Damit es nicht wieder wie bei "Keinohrhasen" Proteste wegen allzu expliziter Dialoge gibt, war die Fortsetzung "Zweiohrküken" von vornherein ab zwölf freigegeben. Til Schweiger, als Autor, Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller erneut für das komplette Werk verantwortlich, hatte die Entscheidung leicht gemacht: Die in aller Pracht ausgestellten primären und sekundären Geschlechtsorgane sind zwar offenkundig unecht; aber vermutlich nicht für Sechsjährige. Das dialogische Kernstück des Films, ein Seminar am Küchentisch über die patriarchalischen Hintergründe der Intimrasur, ist im Gegensatz zur Vorlesung über Oralsex in "Keinohrhasen" allerdings ganz und gar jugendfrei.

Hält "Zweiohrküken", was "Keinohrhasen" versprochen hat?

All das aber interessiert natürlich nur am Rande. Die entscheidenden Aspekte sind ganz andere: Hält "Zweiohrküken", was "Keinohrhasen" versprochen hat? Ist die Geschichte erneut so romantisch, sind die Gags so gut, kommt man wieder mit einem breiten Grinsen aus dem Kino?

Drei Fragen, eine Antwort: nein. Oder vielleicht: ja, aber. Dabei spricht vieles dafür. "Zweiohrküken" sieht genauso aus wie "Keinohrhasen" (sogar das Kinoplakat ist identisch), weil Schweiger und Kameramann Christof Wahl wieder das gleiche ästhetische Konzept entworfen haben. Die sepiasatten Sommerfarben suggerieren eine Hochstimmung, der die Geschichte jedoch nur bedingt gerecht wird, denn die Fortsetzung beginnt gnadenlos realistisch: männlicherseits mit achtlos irgendwo hingeworfenen Klamotten, dreckigen Fußballschuhen, vergessenen Einkäufen und einem Schrank voller Leergut, weiblicherseits mit einem Monolog voller Vorwürfe. Mit einem Wort: Der Lack der Beziehung von Ludo (Schweiger) und Anna (Nora Tschirner) ist ganz schön ab. Und dann taucht auch noch Marie (Edita Malovcic) auf, Sexbombe und eine von Ludos vielen Exxen. Dabei ist der durchaus treu, die wahre Gefahr für die Beziehung heißt Ralf (Ken Duken), ist Entwicklungshelfer und nistet sich direkt im Nest des früheren Liebespaares ein. Ralf ist auch ein Ex, aber von Anna, und Ludo (Ralf nennt ihn penetrant Lupo) staunt nicht schlecht, als er in ihrer zufällig gefundenen Liebhaberliste das Wort "Eiffelturm" liest; noch mehr staunt er, als er entdeckt, dass das Prädikat absolut angebracht ist.

Flirt-Akademiker mit fragwürdigen Anmachsprüchen

Schweiger und Koautorin Anika Decker erzählen die Geschichte dieses Lebens nach dem Happy End allerdings alles andere als linear. Zwischendurch wirkt der Film wie eine dieser Sketch-Comedys aus dem Fernsehen. Die Gags sind zwar um Längen besser, aber das dramaturgische Konzept ist identisch: Es geht darum, möglichst viele Pointen unterzubringen. Das war bei "Keinohrhasen" zwar ganz ähnlich, aber die Zwischenräume kamen einem nicht wie Warten vor. Andererseits ist der Film schon allein das Wiedersehen mit der wunderbaren Nora Tschirner wert. Und natürlich sind die vielen oftmals bloß winzigen Gastauftritte (Yvonne Catterfeld, Wladimir Klitschko, Thomas Heinze, Elyas M’Barek) auch hier sehr hübsch. Besonders liebevoll gestaltet: Uwe Ochsenknecht als Flirt-Akademiker mit fragwürdigen Anmachsprüchen und Heiner Lauterbach als alternder Charmeur, der Ludo anbaggert, weil er ihn für eine Frau hält. Tatsächlich hat sich Ludo für ein Kostümfest als Ginger Rogers verkleidet, sieht dabei aber aus wie Suzanne von Borsody.

Matthias Schweighöfer ist als Kumpel Moritz auch wieder mit von der Partie. Gemeinsam mit Schweiger sorgt er für eine herrliche Slapstick-Einlage. Die wichtigsten Bestandteile dieser Szene sind ein Klo in der Wohnung der schönen Lana (Pegah Ferydoni), das nicht abgespült werden kann, sowie eine Tüte mit entsprechend anrüchigem Inhalt, die Moritz vergessen hat und die er unbedingt an sich bringen muss, bevor Lana wieder nach Hause kommt. Obwohl die zotigen Zutaten – Lana ist außerdem sexsüchtig – nach finsterster Klamotte klingen, inszeniert Schweiger diese Szene so brillant, dass man Tränen lachen muss.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).