TV-Tipp des Tages: "Halbe Hundert" (ARD)

TV-Tipp des Tages: "Halbe Hundert" (ARD)
In "Halbe Hundert" ziehen drei Frauen um die 50 schonungslos Bilanz. Noch immer hält das Leben Überraschungen parat – auch in den Wechseljahren. Und die drei Freundinnen sind lernfähig.
23.03.2012
Von Tilmann P. Gangloff

"Halbe Hundert", 28. März, 20.15 Uhr im Ersten

Frauen um die fünfzig am Rande des Nervenzusammenbruchs: Was da alles auf einen zukommen kann, hat Doris Dörrie unnachahmlich in "Klimawechsel" erzählt. An der Grimme-preisgekrönten ZDF-Serie muss sich "Halbe Hundert" selbstredend messen lassen, doch gewisse Schwächen wären auch ohne den Maßstab offenkundig. Im Vergleich schneidet der Film vor allem deshalb schlechter ab, weil die Dialoge längst nicht jene kecke und oftmals auch boshaft-vergnügliche Leichtigkeit haben, durch die sich die selbstironischen Gespräche der Dörrie-Heldinnen auszeichneten.

Und da Autorin Silke Zertz ihren Hauptfiguren einen archetypischen Zuschnitt gibt, wirken sie fast zwangsläufig etwas klischeehaft: Die erfolgreiche Ärztin Anne (Martina Gedeck), eine Koryphäe auf dem Gebiet der Handchirurgie, definiert sich über ihren Beruf und hat Mann und Tochter vernachlässigt; die mehrfach lukrativ geschiedene Bouthiquenbesitzerin Fiona (Leslie Malton) hechelt atemlos ihrer verlorenen Jugend hinterher; und Hausfrau Charlotte (Johanna Gastdorf) hat ihr Leben ganz in den Dienst ihrer vier Männer (ein Gatte, drei Söhne) gestellt und die eigenen Bedürfnisse dabei völlig aus den Augen verloren. Dass diese Frauen völlig unterschiedlich, aber dennoch befreundet sind und füreinander durch Dick und Dünn gehen, ist allerdings sehr sympathisch. Und natürlich auch wichtig für die Dramaturgie der Geschichte, denn alle drei erleben unabhängig voneinander entscheidende Wendepunkte.

Jammern auf Prada-Niveau

Schwächste Figur des Trios ist Fiona. Allerdings jammert sie auch auf Prada-Niveau, weshalb man ihre Verzweiflung ohnehin nicht ernst nehmen kann. Größeres Manko aber ist die Exaltiertheit Leslie Maltons. Natürlich gehört es zur Rolle, dass Fiona immer viel zu dick aufträgt; aber erstens nervt es trotzdem und zweitens gehört diese Art des lauten Spiels zu Maltons Repertoire und wird hier nicht mal ironisch gebrochen (Regie: Matthias Tiefenbacher). Martina Gedeck dagegen kann Anne, die zentrale Figur der Geschichte, gewohnt sparsam und entsprechend effizienter verkörpern. Allerdings bietet ihre Rolle auch ein ungleich größeres Spektrum: Anne, vom Gatten offenbar wegen einer viel, viel jüngeren Frau verlassen, verliebt sich ihrerseits in einen schmucken jungen Mann (Torben Liebrecht), den sie für eine Tagung bei einem Begleitservice gemietet hat. Seine Motive, die Zuneigung zu erwidern, sind allerdings längst nicht so ehrenwert, wie er tut. Anne ist die vielschichtigste und daher auch gelungenste Figur des Trios, aber am berührendsten ist naturgemäß das Schicksal der dritten im Bunde: Als bei Charlotte Brustkrebs entdeckt wird, ändert sie ihr Leben total.

Die Mischung aus Drama und Romanze soll natürlich den Reiz des Films ausmachen, sie führt aber auch zu einer gewissen Uneinheitlichkeit. Irritierend ist zudem die seltsame Schnitttechnik gerade in den Dialogszenen. Auf der anderen Seite imponieren die Frauen durch ihre Charakterstärke und ihren Mut zu radikalen Veränderungen, was dem Film einen in dreifacher Hinsicht überraschenden Schluss beschert.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).