Innenminister: V-Leute bei der NPD nicht völlig verzichtbar

Innenminister: V-Leute bei der NPD nicht völlig verzichtbar
Die Innenminister stecken in einem Dilemma: Ein neuer NPD-Verbotsantrag hat nur Chancen, wenn V-Leute abgeschaltet werden. Dann aber wird es schwierig, an belastendes Material heranzukommen. Am Donnerstag treffen sich die Minister zu Beratungen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat eine sorgfältige Vorbereitung eines möglichen neuen NPD-Verbotsverfahrens angekündigt. Das Bundesverfassungsgericht müsse genau wissen, ob das Beweismaterial von V-Leuten stammt oder nicht, sagte Friedrich am Donnerstag im Deutschlandfunk. Der Umgang mit V-Leuten in der NPD werde deshalb beherrschendes Thema beim Treffen der Länder-Innenminister am Donnerstag in Berlin. Der Vorsitzende des Neonazi-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), appellierte an die Minister, das Verbotsverfahren voranzutreiben. Die Deutsche Polizeigewerkschaft sprach sich indes gegen einen neuen Verbotsantrag aus.

Ein erstes NPD-Verbotsverfahren war 2003 wegen des Einsatzes von V-Leuten vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. "Daraus ziehen wir jetzt die Konsequenzen", kündigte Friedrich an. Zumindest werde nicht mehr mit V-Leuten aus den NPD-Führungsetagen auf Landes- und Bundesebene zusammengearbeitet.

Dennoch könne man auf die Zuträger in hohen Positionen nicht ganz verzichten, fügte der Minister hinzu: "Man muss wissen, je weiter man runtergeht in den Führungsetagen, umso weniger Beweismöglichkeiten und Zugang hat man." Beim Einsatz der V-Leute gehe es also darum, einen "richtigen Mittelwert" zu finden.

SPD mahnt zur Eile

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) forderte das Bundesverfassungsgericht auf, die Hürden für ein Verbot herabzusenken. Geschehe das nicht, werde es schwierig, die Zusammenarbeit der NPD mit gewaltbereiten Gruppen nachzuweisen, sagte er dem epd. In bestimmten Bereichen müssten die V-Leute abgezogen werden. "Wenn man die Partei aber gar nicht mehr beobachten darf, ist die Gefahr erheblich, dass wir nicht mehr mitkriegen, wo gewalttätige Aktionen geplant sind", sagte Beckstein, der als damaliger bayerischer Innenminister das erste Verbotsverfahren forciert hatte.

Der Vorsitzende des Neonazi-Untersuchungsausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy (SPD), mahnte derweil zur Eile bei den Vorbereitungen des Verfahrens. Der "Mitteldeutschen Zeitung" sagte er: "Ich hoffe, dass man sich heute auf einen Fahrplan für einen Verbotsantrag verständigt." Es sei eine Frage der Grundhaltung, "ob man nach Gründen sucht, um auf einen Verbotsantrag verzichten zu müssen, oder nach Möglichkeiten, ein Verfahren verantworten zu können".

Ex-Verfassungsrichter: "Der Staat muss reagieren"

Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, äußerte sich positiv zu einem neuen Verbotsverfahren. Der "Süddeutschen Zeitung" vom Donnerstag erklärte er, die Morde der Neonazis hätten eine Situation geschaffen, "auf die der Staat umfassend reagieren muss". Mit dem Abzug der V-Leute aus der NPD, der begonnen habe, sei nun auch der Zulässigkeit eines neuen Verbotsantrags der Weg bereitet. Das erste Verbotsverfahren 2003 war unter dem Vorsitz von Hassemer gescheitert.

Einen Stopp der Vorbereitungen zu einem neuen Verfahren verlangte dagegen die Deutsche Polizeigewerkschaft. Gewerkschaftschef Rainer Wendt sagte der "Welt" vom Donnerstag, der Weg zu einem neuen Verfahren sei "mit Risiken nur so gepflastert". Durch den Abzug der V-Leute entstehe "ein völlig unkalkulierbarer Informationsverlust". Gefährlich seien vor allem militante Gruppen und einzelne Rechtsextremisten. "Die Behauptung, dass die NPD eine ernsthafte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung darstellt, ist schlicht falsch", sagte Wendt.

epd