Scheinwerfer an! Gerhard Robbers und der Kirchentag

Scheinwerfer an! Gerhard Robbers und der Kirchentag
Wer ist der Mann, der im nächsten Jahr den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hamburg leitet? Gerhard Robbers lehrt als Verfassungsrechtler an der Universität Trier. Dort haben wir den 61-jährigen Juraprofessor besucht.
28.02.2012
Von Thomas Becker

Der Hörsaal ist auch heute wieder bis zu letzten Reihe gefüllt, hier in der Trierer Universität. Rund 300 Jurastudenten hören aufmerksam zu, während Gerhard Robbers über "Staat und Verfassung nach dem Dreißigjährigen Krieg" referiert. Der Professor im grauen Anzug redet über Religionsfreiheit nach 1648 und über die Gräben, die Katholiken, Lutheraner und Reformierte zuvor trennten. Immer wieder zitiert er auch aus Literatur und Philosophie, verweist auf Sophokles, Schiller oder Brecht. Ein Manuskript braucht der Juraprofessor dazu nicht. Ja, er ist ein gewandter Redner, dessen Timbre den Studenten zu verstehen gibt: "Es ist wirklich wichtig, was ich euch gerade erzähle." Vielleicht hören sie ihm gerade deswegen so aufmerksam zu.

Bloß nicht an die große Glocke hängen

Seine rhetorischen Fähigkeiten wird Gerhard Robbers demnächst häufiger beweisen müssen: Der 61-Jährige ist Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages (DEKT) 2013 in Hamburg. Er tritt damit die Nachfolge von so bekannten Persönlichkeiten wie Richard von Weizsäcker, Elisabeth Raiser und Katrin Göring-Eckardt an. Bei der Eröffnung des Christentreffens am 1. Mai 2013 wird er statt vor 300 Studenten vor 100.000 und mehr Protestanten sprechen. Und spätestens dann wird es in seinem Leben heißen: "Scheinwerfer an". Mit all den Fernsehauftritten, Interviews und Ansprachen, die dazugehören.

Die Losung des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentages 2013 in Hamburg ist am Wahrzeichen der Stadt zu lesen, der Hauptkirche Sankt Michaelis. Foto: dpa

Während der Vorlesung ahnt kaum jemand etwas davon. "Neuer Kirchentagspräsident, hm", sagt eine Studentin und zieht die Schultern hoch. Die Nachricht hat noch nicht die Runde gemacht. Und von ihrem Professor hat sie es auch nicht erfahren. Er hängt so etwas nicht an die große Glocke. Vielleicht ist er gerade deswegen ein geeigneter Kirchentagspräsident. Ein Mann, der sich zurückzunehmen weiß, wenn es darauf ankommt, der unaufgerecht und wortgewandt vermittelt, was er zu sagen hat. "Kirchentag ist eine spezifische Kultur", sagt Gerhard Robbers als er wieder in seinem Büro sitzt. "Sie lebt davon, dass sich viele Menschen intensiv einbringen." Die daraus erwachsene Kreativität dürfe nicht durch Weisungen "von oben" verloren gehen. Als Präsident wolle er deswegen "kein Sondersüppchen kochen", sagt er, oder gar den Kirchentag als Bühne der Selbstdarstellung nutzen.

Eigene Themen möchte er dennoch setzen. Diskutieren will er etwa über die Frage, wie "ethisches Wirtschaften in Unternehmen verankert werden kann". Was ist der Sinn von Wirtschaft? Gibt es ein Ziel des Wirtschaftens jenseits der Profitmaximierung? Für diese Fragen soll der Kirchentag ein Forum bieten. Und auch über Integration soll diskutiert werden. "Eine zentrale Herausforderung unserer Gesellschaft besteht darin, wie wir unterschiedliche Kulturen, Weltanschauungen und Religionen zusammenbringen." Gerhard Robbers selbst ist ein Experte dafür, welche Grundlagen in Staat und Gesellschaft geschaffen werden müssen, damit das gelingt.

Auch er hatte eine atheistische Phase

"Wie sich Gesellschaft organisiert, hat mich schon als Jugendlicher interessiert", sagt er. Gerhard Robbers studierte Jura in Freiburg, promovierte über "Gerechtigkeit als Rechtsprinzip" und habilitierte über das Thema "Sicherheit als Menschenrecht". Kurz darauf, 1989, folgte der Ruf nach Trier, wo er seitdem als Professor lehrt und mit seiner Frau vier Kinder großgezogen hat. Eines seiner Spezialgebiete ist das Verhältnis von Staat und Religion. In Büchern und vielen seiner annähernd 300 Aufsätze hat er sich mit dem Staatskirchenrecht, dem Streikrecht in Kirchen sowie mit Gottesbezügen in Verfassungen beschäftigt. Eine Kernthese: Staat und Bürger sollten "religionsoffen" sein und Religionsfreiheit für jeden in vollem Umfang gewähren – egal ob Christ, Jude oder Moslem. Gleichzeitig sollte ein Staat so verfasst sein, dass Atheisten und Agnostiker ihre Wert- und Weltvorstellungen ebenso in ihm wiederfinden.

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Es mag verwundern: Auch Gerhard Robbers hatte ein atheistische Phase, damals, als junger Erwachsener. Er hält einen Moment inne und überlegt, ob er darüber reden soll – und tut es dann doch. Nach seiner Konfirmation, erzählt er, seien ihm Zweifel daran gekommen, "ob alles stimmt, was in der Kirche erzählt wird." Er kam zur Erkenntnis, "dass ich das alles nicht glauben kann". Da erschien es ihm nur konsequent, aus der Kirche auszutreten. "Alles andere wäre unaufrichtig gewesen." Dem Professor, fällt es schwer, Worte dafür zu finden, was ihn nach seinem Studium wieder zu einem Eintritt in die Kirche bewog. "Es gab keine Krisen oder große, innere Kämpfe", sagt er. Es seien wohl unterbewusste Prozesse gewesen, ein sich langsam vollziehender Wandel wieder hin zum evangelischen Glauben.

Gott? Ein Grundton der Existenz, ein Dauerklingen

Gerhard Robbers spricht heute von Gott als einer "Dimension, die alles Leben durchwirkt". Diese Dimension – oder Transzendenz – beschreibt er als ein "Dauerklingen", einen "Grundton der Existenz" und "einen Ort, an den man sich wenden kann, zu dem man gehört." Es sei nicht das Wissen darum, dass es diese Dimension tatsächlich gibt, die ihn zu seinem Wiedereintritt bewogen hat, sondern eben der Glaube daran. Und der sei eine "weitere Dimension der Erkenntnis – eine, die sonst fehlt."

Vielleicht wird Gerhard Robbers auf dem Kirchentag auch über sein Gottesbild sprechen. Seine Vorträge hat er noch nicht geschrieben, seine Veranstaltungen nicht geplant. Zunächst einmal, sagt er, freue er sich darüber, dass ihm das neue Amt anvertraut wurde. "Das empfinde ich als eine große Bereicherung und dafür bin ich von ganzem Herzen dankbar."


Thomas Becker ist Journalist und lebt in Düsseldorf.