Filmkritik der Woche: "Die Eiserne Lady"

Filmkritik der Woche: "Die Eiserne Lady"
Zeitgeschichte als Seifenoper: Meryl Streep geht, steht und spricht wie Margaret Thatcher: Für ihre gespenstisch perfekte Vorstellung hat die Schauspielerin ihren dritten Oscar bekommen. Der Film über die "Eiserne Lady" ist allerdings umstritten - viel Pathos, wenig Politik.
28.02.2012
Von Marli Feldvoß

Die Frage, wer Margaret Thatcher wirklich war, stellt sich mit Meryl Streep und aus der "Demenzperspektive", die der Film "Die Eiserne Lady" gewählt hat, völlig neu. Die ehemalige britische Premierministerin, die heute aus gesundheitlichen Gründen in absoluter Zurückgezogenheit lebt, gilt als Pionierin der Deregulierung der Wirtschaft und Vertreterin einer unbarmherzigen Spar- und Steuerpolitik.

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Von der Linken wurde sie schon immer mit Häme bedacht, wenn nicht gar als Monster betrachtet. Für die Rechte ist sie nach wie vor eine Heldin. Tatsächlich hat sich Margaret Thatcher - als Frau und als Politikerin - mit eiserner Hand durchgesetzt und wurde dafür drei Mal gewählt, ein moderner Rekord.

Die 1925 geborene Margaret Thatcher ist eine klassische Aufsteigerin. Sie ließ den Krämerladen ihrer Eltern hinter sich, studierte mit einem Stipendium Chemie in Oxford, diente sich in der Partei nach oben und schaffte es dank ihres unerschütterlichen Selbstvertrauens, 1975 zur Parteiführerin der Konservativen und 1979 zur ersten Premierministerin Großbritanniens gewählt zu werden.

Ob eine Frau vor lauter Ehrgeiz und Durchsetzungskraft über kurz oder lang die soziale Kompetenz verliert? Das Thema Gefühlskälte streift der Film mit einem Seitenblick auf Margarets Mutter in der Küche, die ihrer klugen Tochter die Anerkennung verweigert. Wenn Thatcher später wegen eines Termins einfach ihren Zwillingen davonfährt und vom Zuschauer als lieblose Mutter abgestraft wird, ist dieser vielsagende Augenblick längst vergessen.

Die im Film von Anfang an demente, doch noch selbstbewusste Thatcher, die Gespräche mit ihrem längst an Krebs verstorbenen Mann Denis führt, schwächt das Bild der rücksichtslosen Karrieristin erheblich ab. Denis, ein erfolgreicher Geschäftsmann, der in der Öffentlichkeit als Clown galt, spielt den Tröster und Spaßvogel, der ihre herrischen Posen nachahmt und ihrem Fortkommen keinen Widerstand entgegensetzt.

Es wäre schwieriger gewesen, eine Figur zu entwerfen, die wirklich in der Zwickmühle zwischen Privatleben und großer Politik steckt. Eine Antwort darauf, wer Margaret Thatcher wirklich war, darf man von diesem Film jedenfalls nicht erwarten.

Das Frauenteam - Phyllida Lloyd (Regie), Abi Morgan (Drehbuch), Justine Wright (Schnitt) - lässt, unterstützt von einer bewundernswert feinsinnigen Meryl Streep, die mühelos vierzig Jahre Lebenszeit durchläuft, eine emanzipierte Frau hochleben, die, vom Weichzeichner geschönt, auch im Alter eine stattliche Figur abgibt. Thatchers Auftritte als Regierungschefin bleiben jedoch - anders als bei ihren entsprechenden Amtskollegen in "The Queen" oder "The King's Speech" - auf wichtige strategische Ereignisse wie den Falklandkrieg oder den IRA-Konflikt begrenzt.

"Margaret-Thatcher-Symphonie"

Stattdessen schwelgt der Film in Blautönen, zeigt Thatcher im kobaltfarbenen Kostüm als einzige Frau unter Männern - ein Gruppenbild, das bei uns seit Angela Merkel zur Alltagserscheinung geworden ist. Sie hält die Fäden fest in der Hand, als Regierungschefin und als Gattin, Mutter und Hausfrau, aber Freunde hat sie sich offenbar keine gemacht.

Regisseurin Lloyd spricht von einer "Margaret-Thatcher-Symphonie" und stilisiert sie unter den Klängen der "Casta Diva"-Arie aus "Norma", dann ganz in Rot, zur tragischen Opernheldin. Als Referenztitel fällt auch "King Lear". Doch Shakespeares tief pessimistisches Drama handelt vom Zweifel an der bestehenden Ordnung und an der zivilisierten Natur des Menschen.

In "Die Eiserne Lady" kommt solcher Zweifel nur im Vorübergehen ins Bild: in Form einiger Archivaufnahmen von entfesselten Demonstrationen. Tatsächlich erstarrt das Biopic im Respekt vor einer "unglaublich starken Frau", gibt sich angeblich ausgewogen oder verlässt sich auf die versöhnliche, unterhaltsame Fiktion, wo man eine klare Sicht auf die Dinge, auch offene Parteilichkeit, erwartet. Meryl Streep immerhin gibt sich bei alldem keine rührseligen Blößen und bewahrt den "Schmachtfetzen" vorm völligen Entgleisen.

Großbritannien/Frankreich 2011. R: Phyllida Lloyd. B: Abi Morgan. Da: Meryl Streep, Jim Broadbent, Alexandra Roach, Richard E. Grant. L: 105 Min. FBW: besonders wertvoll.

epd