DDR-Bürgerrechtler streiten weiter über Gauck

DDR-Bürgerrechtler streiten weiter über Gauck
Welche Rolle spielte Joachim Gauck in der DDR-Opposition vor 1989? Die Debatte unter früheren Bürgerrechtlern über den designierten Bundespräsidenten hält unvermindert an. Die Beauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in Brandenburg, Ulrike Poppe, rief zu einem fairen Umgang mit Gauck auf.

Dass der künftige Bundespräsident in der Öffentlichkeit zuweilen als einer der wichtigsten DDR-Bürgerrechtler bezeichnet werde, könne man dem 72-jährigen Theologen nicht vorwerfen, sagte Poppe dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Potsdam. Verantwortlich dafür ist nach ihrer Ansicht auch Unkenntnis: "Für manche, die sich dazu in den Medien äußern, hat der Widerstand gegen das System überhaupt erst 1989 begonnen." Poppe ist seit 2010 Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Gaucks Weggefährte Heiko Lietz aus Mecklenburg-Vorpommern äußerte im Berliner "Tagesspiegel" (Dienstag), Gauck habe sich zwar als Pfarrer kritisch mit der DDR auseinandergesetzt. Der Bürgerbewegung habe er sich aber erst im Herbst 1989 angeschlossen. Das Etikett "Bürgerrechtler" werde ihm somit zu Unrecht angeheftet.

Zu spät der Opposition angeschlossen?

Der Mitbegründer der DDR-Bürgerrechtsbewegung "Neues Forum", Hans-Jochen Tschiche, hatte Gauck in den vergangenen Tagen mehrfach vorgeworfen, sich 1989 erst sehr spät der Opposition angeschlossen zu haben. Dennoch habe er es sich gefallen lassen, als Bürgerrechtler gewürdigt zu werden. Zuvor hatte sich bereits der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer distanziert zu Gauck geäußert.

Tschiche habe Unrecht, sagte Poppe. Gauck habe nicht von sich behauptet, ein Oppositioneller gewesen zu sein. "Soweit ich weiß, hatte er aber als Pfarrer immer eine klare Position bezogen und stand nie auf Seiten des Systems", betonte Poppe. Für die Eignung des Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten sei wichtiger, "dass sein lustvolles Reden von der Freiheit vor dem Hintergrund seiner Lebenserfahrungen in der DDR glaubwürdig ist", sagte sie. Die ehemaligen Oppositionellen in der DDR hätten sich selbst im übrigen nicht als "Bürgerrechtler" bezeichnet. Dies sei erst in Revolutionszeiten aufgekommen. "Einigen haftet das Etikett nun an, aber wer genau dazu zählt, ist Ansichtssache", sagte Poppe.

"Keiner, der Repressionen in Kauf nahm"

Der DDR-Bürgerrechtler Lietz sagte: "Zu den Bürgerrechtlern, die sich gerade gemacht haben und bereit waren, dafür Repressionen in Kauf zu nehmen, gehörte Gauck nicht." Lietz kennt Gauck seit Schulzeiten, studierte zur selben Zeit in Rostock Theologie, spielte mit ihm Handball und war wie Gauck mehrere Jahre in Mecklenburg als Pfarrer tätig.

Lietz lobte ausdrücklich Gaucks konsequente und klare Haltung zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Als künftiger Bundespräsident müsse er sich jedoch mit demselben Engagement, mit dem er über Freiheit spreche, auch für soziale Rechte einsetzen. In dieser Hinsicht sei Gauck derzeit "unzureichend gerüstet" für das Amt. Er halte ihn aber für "lernfähig", fügte Lietz hinzu.

epd