Fastenaktion - "Vom Ehrgeiz getrieben in die Wüste geraten"

Fastenaktion - "Vom Ehrgeiz getrieben in die Wüste geraten"
Die beiden großen Kirchen haben am Sonntagvormittag ihre diesjährigen Fastenaktionen eröffnet. Die evangelische Fastenaktion steht in diesem Jahr unter dem Motto "Gut genug - 7 Wochen ohne falschen Ehrgeiz". Der ZDF-Fernsehgottesdienst zur Eröffnung wurde aus der Dreikönigskirche in Frankfurt am Main übertragen.
26.02.2012
Von Karsten Frerichs und Anne Kampf

Die Organisatoren rufen dazu auf, in der Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern auf Perfektionismus zu verzichten. Dem "höher, schneller, weiter" in Beruf und Privatleben setzt die evangelische Kirche in der Fastenzeit ein "Gut genug!" entgegen. Allmächtig sein zu wollen, sei die Triebfeder manch ehrgeiziger Projekte, sagte Breit-Keßler, die als Kuratoriumsvorsitzende der Fastenaktion die Predigt in dem Gottesdienst hielt.

Pfarrer Martin Vorländer und Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler in der Frankfurter Dreikönigskirche. Foto: epd-bild/Jochen Günther.

Die Bischöfin predigte über die Versuchung Jesu durch den Teufel (Matthäus 4,1-11) und zog eine Parallele zu den Versuchungen, denen Menschen in der heutigen Leistungsgesellschaft ausgesetzt sind. "Wir sind manchmal nah dran, vom Ehrgeiz getrieben in die Wüste zu geraten" und weiter: "Göttlich gut sein zu wollen ist Triebfeder mancher ehrgeiziger Projekte."

Susanne Breit-Keßler rief dazu auf, der Versuchung zu widerstehen. "Es macht kaputt, wenn man den Ehrgeiz hat, immer der oder die Beste zu sein", sagte die in ihrer Predigt. Der Mensch habe ein Recht zu sein - und nicht erst mit Feuereifer etwas aus sich machen zu müssen. Sie warb dafür, sich von Gott durch den Heiligen Geist beschenken zu lassen: "Nur mit innerer Freiheit kann ich sagen: "Doch. Es ist gut. Denn ich bin gut genug – und für Gott bin ich es allemal." Am Schluss wies sie noch einmal auf Jesu Standfestigkeit in der Wüste hin: "Dreimal lehnt er entschlossen ab. Er bleibt ganz Mensch."

"Manchmal ist Ehrgeiz wie eine nicht zu stillende Sucht"

Wie stark der Alltag vieler Menschen von Ehrgeiz geprägt ist, wurde in Eingangsstatements zum Aktionsmotto deutlich. So berichtete Bianca Mubiiki-Hörig aus der Jugendarbeit in der Dreikönigsgemeinde: Manche der Mädchen und Jungen würden sich förmlich zwischen den Ansprüchen in Schule, Sportverein, Familie und Ehrenamt zerreißen. "Dann möchte ich den einen oder anderen Jugendlichen am liebsten vor sich selbst und den vielen Ansprüchen in Schutz nehmen", sagte Mubiiki-Hörig.

Der Unternehmensberater Carl-Christian Beckmann berichtete von dem Burn-out eine befreundeten Ärztin. Und der Informatiker Heinz Uphoff fasste zusammen: "Manchmal ist Ehrgeiz wie eine nicht zu stillende Sucht." Alles, was wir tun, drohe zur Herausforderung zu werden.

"7 Wochen Ohne" will dazu anregen, dem falschen Ehrgeiz Einhalt zu gebieten. Die Aktion regt seit 1983 mit wechselnden Themen dazu an, die Fastenzeit bewusst zu erleben und zu gestalten. Nach Angaben der Organisatoren beteiligen sich fast drei Millionen Menschen an "7 Wochen Ohne" oder haben in der Vergangenheit bereits einmal daran teilgenommen. Teilnehmer können sich zu Fastengruppen zusammenschließen oder Aktionskalender nutzen. Auch greifen viele evangelische Kirchengemeinden das Thema alljährlich für eigene Veranstaltungen auf.

"Seien sie auch gnädig mit sich selbst!"

Wie sich Ehrgeiz im Alltag begrenzen lässt, dazu gab "7 Wochen Ohne"-Geschäftsführer Arnd Brummer am Schluss des Gottesdienstes einige Hinweise: "Sie können mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin verabredet, Sätze die mit 'Wir müssen unbedingt…' sieben Wochen lang zu vermeiden." Nicht gebügelte Wäsche und unaufgeräumte Schreibtische sollte man auch einmal ohne schlechtes Gewissen hinnehmen.

"7 Wochen Ohne"-Geschäftsführer Arnd Brummer las auch den Predigttext vor. Foto: epd-bild/Jochen Günther

"Lassen sie sich nicht einreden, sie hätten Lebensziele nicht erreicht. Die Ziele setzen nicht die anderen", riet der Chefredakteur des evangelischen Monatsmagazins "chrismon": "Vor allem aber: Seien sie auch gnädig mit sich selbst!"

"7 Wochen Ohne" wurde 1983 gegründet. Die Aktion regt mit wechselnden Themen dazu an, die Fastenzeit bewusst zu erleben und zu gestalten. Nach Angaben der Organisatoren beteiligen sich fast drei Millionen Menschen an der Fastenaktion oder haben in der Vergangenheit bereits einmal daran teilgenommen. Teilnehmer können sich zu Fastengruppen zusammenschließen oder Aktionskalender nutzen. Auch greifen viele evangelische Kirchengemeinden das Thema alljährlich für eigene Veranstaltungen auf.

Misereor: Armut nicht untätig hinnehmen

Auch die katholische Kirche in Deutschland hat am Sonntag ihre 54. Fastenaktion "Misereor" im Speyerer Dom eröffnet. "Misereor" unterstützt im Rahmen der Fastenaktion seit 1959 Notleidende in Afrika, Asien und Lateinamerika. An den Sammlungen unter dem Leitwort "Menschenwürdig leben - Kindern Zukunft geben" beteiligen sich nach Angaben des bischöflichen Hilfswerks 10.000 katholische Pfarrgemeinden. Im vergangenen Jahr hat die Aktion mehr als 17 Millionen Euro eingebracht. Das 1958 von der Deutschen Bischofskonferenz gegründete Hilfswerk fördert aktuell etwa 3.600 Projekte in fast 100 Ländern.

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Der Einsatz für Kinder und Jugendliche weltweit sei ein zutiefst kirchlicher Auftrag, sagte der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann im Eröffnungsgottesdienst. Die "Todesspirale von arm und reich" umzukehren und Lebensperspektiven für die Benachteiligten zu ermöglichen, sei eine für die Zukunft der globalisierten Welt entscheidende Aufgabe. Die Eliten dieser Welt schauten vielfach weg. "Wer arm ist und auf der Schattenseite dieser Erde lebt, bekommt keine Chance, wenn nicht Menschen da sind, die das nicht untätig hinnehmen, sondern sich das Schicksal der Kleinen zum eigenen machen", sagte Wiesemann.

In den Elendsvierteln dieser Welt lebten eine Milliarde Menschen, darunter 400 Millionen Kinder und Jugendliche, deren Start ins Leben besonders gefährdet sei, sagte "Misereor"-Hauptgeschäftsführer Josef Sayer. Dies sei unwürdig in einer Welt, die so viele Luxusgüter habe wie noch nie. Wenn Hungernde für die Regierenden eine geringere Rolle spielten als der Finanzsektor, müssten Christen sagen, dass etwas schieflaufe.

mit Material von epd