Der letzte Tag im Schloss - Wulff geht nicht ohne Bitterkeit

Der letzte Tag im Schloss - Wulff geht nicht ohne Bitterkeit
Die Affäre Wulff zog sich 63 Tage hin. Nun hat der Bundespräsident ein Einsehen und verlässt das Amt. Tränen und ein Gefühl der Erleichterung begleiten ihn.
17.02.2012
Von Thomas Lanig

Schon ganz früh am Morgen kann man in Berlin spüren, dass dies ein denkwürdiger Tag wird. Vor dem Privathaus der Familie Wulff im Stadtteil Dahlem sind Fotografen aufgezogen, ungewöhnlich für diese Uhrzeit. Und sie stehen auch zehn Kilometer weiter, im Nieselregen am Schloss Bellevue, dem Arbeitsplatz des ersten Mannes im Staate. Christian und Bettina Wulff machen sich auf den Weg zu ihrem letzten Tag im Amt. Den Bundespräsidenten erreichen ein paar SMS, die ihm alles Gute und Mut für diesen schweren Gang wünschen.

Kurz nach 11.00 Uhr betritt Wulff zusammen mit Frau Bettina den Großen Saal im Schloss Bellevue. Sonst werden dort große Feste gefeiert. Am Freitag ist für Fotografen und Kameraleute über die ganze Länge des Raumes eine Art Tribüne aufgebaut, um möglichst vielen einen unverstellten Blick auf die Fensterfront zu schaffen. Dort steht das Mikrofon. Wulff und seine Frau kommen von rechts. Sie halten sich nicht an der Hand.

Wulff sieht sich als Opfer der Medien

Überraschend ist das, was er sagt, nun nicht mehr. Schon nach wenig mehr als einer Minute kommt der entscheidende Satz: "Ich trete deshalb heute vom Amt des Bundespräsidenten zurück, um den Weg zügig für die Nachfolge freizumachen." Bettina Wulff blickt mit einem starren, fast maskenartigen Lächeln schräg nach oben ins Leere. Manche meinen, die Augen seien noch rot von Tränen. "Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen zwei Monaten erlebt haben, haben meine Frau und mich verletzt", sagt Wulff. Er wirkt gefasst, aufrecht, ist sich keiner relevanten Schuld bewusst.

Aus seiner Umgebung heißt es, die Entscheidung zum Rücktritt sei schon am Abend zuvor gefallen, als die Staatsanwaltschaft Hannover den Antrag auf Aufhebung der Immunität stellte. Dass von diesem Moment an der Druck vor allem aus der Koalition auf Wulff fast minütlich anschwoll, habe mit dem Entschluss nichts mehr zu tun gehabt. Aber Wulff und seine engsten Mitarbeiter hatten bis zuletzt gehofft, die Staatsanwälte würden zu einem anderen Ergebnis kommen. Doch nun wollen sie wegen Vorteilsannahme ermitteln. Das ist ein Korruptionsdelikt.

Noch am Donnerstagnachmittag schien Wulff recht entspannt, plauderte mit Journalisten über die Italienreise, von der er eben zurückgekehrt war. Klar war aber auch: Er sieht sich als Opfer einer Medienkampagne und spricht von Rufmord. Die "Bild"-Zeitung griff er direkt an, sprach aber auch von den nächsten Reisen und Terminen. In einer Woche hätte er zu einer großen Afrikareise aufbrechen sollen - wieder ein Schritt in Richtung Normalität für den bedrängten Präsidenten sollte dies werden.

Beifall und Beklommenheit im Schloss

Bemerkenswert, dass fast die gleiche Reise im Mai 2010 geplant war, von Wulffs Vorgänger Horst Köhler. Der trat dann zurück. Nun Wulff. Kein leichter Job, den Gastgebern in Ouagadougou und anderswo zu erklären, warum nun schon wieder ein deutscher Präsident ausgefallen ist. Bis zuletzt sah Wulff kein eigenes Verschulden. "Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig."

Unmittelbar nach der knappen Erklärung im Schloss Bellevue begeben sich Christian und Bettina Wulff in den angrenzenden Langhans-Saal, dort hatte seinerzeit Horst Köhler seinen Rücktritt verkündet. Heute warten hier die Mitarbeiter des Präsidialamtes, an der Spitze Staatssekretär Lothar Hagebölling. Beifall empfängt das Paar, aber die Beklommenheit will nicht weichen. Ein paar Tränen fließen. Gegen 13.00 Uhr lassen sich die Wulffs nach Dahlem zurückfahren. Es waren 598 Tage im Amt.

dpa