Der Druck auf Noch-Bundespräsident Wulff steigt

Der Druck auf Noch-Bundespräsident Wulff steigt
Nach dem beispiellosen Antrag auf Aufhebung der Immunität von Bundespräsident Christian Wulff wird in der schwarz-gelben Koalition ein Rücktritt des Staatsoberhaupts nicht mehr ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte nach einer Mitteilung vom Donnerstagabend beim Bundestag die Aufhebung der Immunität beantragt, um gegen Wulff wegen Vorteilsnahme und -gewährung ermitteln zu können.

Um 11 Uhr werde Wulff sich in Schloss Bellevue erklären, teilte das Bundespräsidialamt am Morgen in Berlin mit. Zum Inhalt wurden keine Angaben gemacht. Sein Rücktritt wird auch in der schwarz-gelben Koalition nicht mehr ausgeschlossen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat für 11.30 Uhr eine Stellungnahme angekündigt. Nähere Angaben wurden auch da zunächst nicht gemacht.

Der Vorsitzende der niedersächsischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, sagte der "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitag): "Der Bundespräsident muss jetzt seine Schlüsse ziehen." Unionsfraktionsvize Michael Meister ging im Berliner "Tagesspiegel" (Freitag) davon aus, das Wulffs Immunität aufgehoben wird. "Die Frage ist dann, ob Christian Wulff glaubt, damit umgehen zu können, das muss er aber selbst beantworten."

Neue Unterlagen und Berichte führen zum Verdacht

Auch in der Führung der FDP wird mit einem baldigen Rücktritt gerechnet. "Ich glaube, das war's", zitiert "Die Welt" (Freitag) ein Mitglied der FDP-Führung. Schleswig-Holsteins Vizeministerpräsident, Sozialminister Heiner Garg (FDP), sagte den "Kieler Nachrichten" (Freitag): "Auch aus Verantwortung gegenüber dem höchsten Amt muss Christian Wulff jetzt die Konsequenzen ziehen."

Die Staatsanwaltschaft hatte mitgeteilt, nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen und weiterer Medienberichte gebe es gegen den früheren niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten nun einen Anfangsverdacht im Zusammenhang mit Kontakten zum Filmfonds-Manager David Groenewold. Auch gegen ihn wird ermittelt.

Groenewold hatte mit Wulff 2007 auf Sylt Urlaub gemacht und dabei die Hotelkosten zunächst bezahlt; Wulff will den Betrag später in bar beglichen haben. Die niedersächsische Landesregierung hatte einer Firma Groenewolds knapp ein Jahr zuvor eine Millionen-Bürgschaft gewährt - die aber nie in Anspruch genommen wurde.

Wulffs Anwalt Gernot Lehr wollte sich zu der Entscheidung der Ermittler am Donnerstagabend nicht äußern. Regierungs- und Unionsfraktionskreise lehnten jede Stellungnahme ab, ebenso Wulffs Nachfolger in Niedersachsen, Ministerpräsident David McAllister (CDU).

SPD fordert offen Wulffs Rücktritt

In der SPD wird Wulffs Rücktritt nun offen und direkt gefordert, nachdem ihm dieser wochenlang nur nahegelegt worden war. Das SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stegner sagte der "Welt": "Nun sollte Christian Wulff dem Land und sich einen letzten Dienst erweisen und zurücktreten." Generalsekretärin Andrea Nahles befand: "In meinen Augen ist eine staatsanwaltliche Ermittlung mit dem Amt des Bundespräsidenten unvereinbar." Die Bundestagsfraktionschefs der Grnen, Renate Künast und Jürgen Trittin, forderten: "In dieser Situation muss der Bundespräsident mindestens sein Amt ruhen lassen - das gilt auch mit Blick auf die Gedenkfeier (für die Opfer der Neonazi-Morde) nächste Woche."

Erst wenn der Bundestag dem Aufhebungsantrag zugestimmt hat, kann die Staatsanwaltschaft tatsächlich ermitteln. Nötig ist dazu die einfache Mehrheit. Angelastet wurden dem Bundespräsidenten bisher unter anderem die Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits für sein Haus und kostenlose Urlaube bei Unternehmern, mit denen er auch in seiner Zeit als Regierungschef in Niedersachsen zu tun hatte. Wulff regierte in Hannover zwischen 2003 und 2010.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann rechnete in der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag) mit einer Entscheidung in der übernächsten Woche, wenn der Bundestag zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammentritt. SPD-Generalsekretärin Nahles kündigte an, die SPD werde geschlossen für die Aufhebung der Immunität Wulffs stimmen. Oppermann legte in der "Passauer Neuen Presse" (Freitag) nach: "Ich erwarte das auch von der Union und der Kanzlerin."

dpa