Die eine gute Nachricht zuerst: In der größeren Regierungsfraktion macht man sich endlich wieder Gedanken um die Zukunft des Landes jenseits aller Finanz-, Griechen- und Rettungsgeschäftigkeit. Das ist erfreulich.
Weniger erfreulich ist, dass die "Junge Gruppe" in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion um ihren Sprecher Marco Wanderwitz möglichst bald das Grundgesetz ändern möchte, um eine Sonderabgabe für Kinderlose einzuführen.
Führende Köpfe der Schwesterpartei CSU finden das gut, kam von dort doch bereits vor acht Jahren der Vorschlag einer Strafsteuer für Menschen ohne Nachwuchs: Kinderlose sollten damals nach den Vorstellungen der Bayern zusätzlich zu Renten- und Pflegebeiträgen mit einem "einkommensunabhängigen Pauschalzuschlag" belegt werden.
Lebensziel Reproduktion?
Beide Gruppen scheinen das ernst zu meinen, weswegen noch vor Angela Merkel die zuständige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) auch gleich widersprach und für Anreize warb statt für Bestrafungen. Das klingt freundlicher, hilft in der Sache allerdings auch nicht weiter, wie jeder Erwachsene aus dem eigenen Erleben bestätigen kann.
Ob man sich Kinder wünscht oder nicht, ist eine zutiefst private, auch intime Angelegenheit. Die Entscheidung dafür oder dagegen hängt mit dem eigenen und dem gemeinsamen Lebensentwurf zusammen, dem Respekt vor der Elternaufgabe, dem Wunsch nach Familie, dem Bedürfnis, für Menschen zu sorgen. Jeder und jede Einzelne hat dazu ganz individuelle Vorstellungen. Und das ist auch gut so, sonst wären wir eine seelenlose Spezies von Besamern und Gebärmaschinen, deren höchstes Lebensziel in der Reproduktion besteht.
Die ja keineswegs immer frei gewählt werden kann. Dass man mit einer Abgabe à la Unionspolitiker auch die ungewollt, nicht selten verzweifelt Kinderlosen bestraft, zeigt den Charakter der Idee, so etwas Persönliches wie Familienplanung finanziell steuern zu wollen – im Kern missachtet sie den Menschen und seine Würde, und sie spaltet die Gesellschaft, weil sie die Lebensformen gegeneinander ausspielt. Von gleichgeschlechtlichen Paaren ganz zu schweigen, die bis heute im Adoptionsrecht nicht gleichgestellt sind.
Fadenscheinige Begründung
Das unehrliche und damit besonders ärgerliche an der Debatte freilich ist die fadenscheinige Begründung der Vorschläge, auf die sich Befürworter wie Gegner beziehen: nämlich damit die Geburtenrate erhöhen zu können. Das ist nach allen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen und sozialpolitischen Erfahrungen Humbug.
"Wir sind ein Land, das sehr viel Geld für Kinder ausgibt, dafür aber im Vergleich sehr wenig Kinder hat", fasste der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen im Gespräch mit dem "Manager Magazin" zusammen. "Das lässt den Schluss zu, die Existenz von Kindern hat mehr damit zu tun, ob man sie in den Alltag einbinden kann oder nicht."
Raffelhüschen weist zudem darauf hin, dass Länder, in denen Frauen (und Männern) eine bessere Vereinbarkeit der Lebensbereiche ermöglicht wird, meist eine höhere Geburtenrate ausweisen. "Die Existenz von Kindern hat also mehr mit Betreuungsangeboten und viel weniger mit direkten Zahlungen zu tun." Erst recht nicht mit Strafandrohungen, möchte man ergänzen.
Aus Kostengründen auf der Welt zu sein: kein schöner Gedanke
Der Kinderwunsch entsteht im Kopf, nicht im Portemonnaie, wie alle in diese Richtungen zielenden Erhöhungen des Kindergelds eindrucksvoll bewiesen haben. Kinder werden Gott sei Dank eben nicht aus finanziellen Erwägungen in die Welt gesetzt. Den unangenehmen Gedanken, unabsichtlich, womöglich ungewollt gezeugt worden zu sein, kennen viele, die vor der Markteinführung der Anti-Baby-Pille 1960 gezeugt wurden. Wie fühlt sich der Gedanke wohl an, zu leben, weil die eigenen Eltern beabsichtigten, das Kindergeld einzustreichen oder weil sie eine Strafabgabe vermeiden wollten?
Und wohin dann mit dem Geld? Der Christdemokrat Wanderwitz wünscht sich, dass es nicht nur in die Sozialversicherungen fließen soll, sondern auch für Infrastruktur und Bildung ausgegeben werden soll. Wäre ihm und seinen Kollegen wirklich an der Erhöhung der Geburtenrate gelegen, würden sie ihren Vorschlag wenigstens mit dem Versprechen koppeln, die Kinderbetreuung zu verbessern, um Kinder auf diese Weise ein wenig von der Rolle des Karrierekillers zu befreien. Davon ist aber nichts zu hören.
Die Vorschläge der "Jungen Gruppe" werden kein Gesetz werden, sondern das Ganze wird im Sande verlaufen und lediglich noch einige Spuren in den politischen Fernsehtalkshows ziehen, die nun endlich ein ergiebiges Thema jenseits von Christian Wulff geliefert bekamen. Das ist die andere gute Nachricht. Aber weiter nachdenken und ehrlich diskutieren über die Zukunft des Landes, das sollen sie schon, unsere Volksvertreter.
Thomas Östreicher ist freier Mitarbeiter bei evangelisch.de.