Herr Baum, in der Erfolgsserie "Der letzte Bulle" spielen Sie einen gestandenen Kerl. Wann ist ein Mann ein Mann?
Henning Baum: Als typisch männliche Charaktereigenschaft gilt ja wohl Entscheidungsstärke, aber die können natürlich auch Frauen haben. Ich persönlich jedenfalls schätze Entschlossenheit im Handeln.
Und welche Rolle spielt die reine Körperkraft?
Baum: Wenn es darum geht, was einen richtigen Kerl ausmacht, finde ich Muckis nicht so wichtig. Ich kenne Menschen, die sogar eine eher schwächliche Statur haben, aber trotzdem eine ungeheure Willens- und Schaffenskraft besitzen. Muskeln sind nicht das Entscheidende.
"Wenn immer nur das Gehirn gefordert wird,
der junge Mensch sich nicht bewegen darf,
dann verkümmert er doch"
Und das sagen gerade Sie als ausgesprochen athletischer Typ? Sie verbringen ja bestimmt viel Zeit im Fitnessstudio...
Baum: Nein, gar keine. Natürlich hat das was mit Training zu tun, ich habe mir im Lauf der Zeit eine bestimmte Gymnastik zusammengesucht, die ich überall machen kann. Ich bin ja viel unterwegs. Das sind Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende alte Übungen, wie sie auch Boxer oder Ringer kennen, gar nichts Geheimnisvolles – man muss die Übungen halt nur machen. Der Mensch ist ja nicht nur Intellekt, auch im Körper steckt ganz viel Weisheit. Deshalb finde ich auch, dass Kinder Freiheit brauchen, Wildheit, auch mal mit kaputtem Knie und zerrissener Jacke heimkommen dürfen. Wenn immer nur das Gehirn gefordert wird, der junge Mensch sich nicht bewegen darf, dann verkümmert er doch.
Jungen und Männer werden in den Medien oft als das neue schwache Geschlecht beschrieben. Vielleicht gibt es deshalb ja eine gewisse Sehnsucht nach richtigen Mannsbildern im Fernsehen.
Baum: Über diese ganze Männerthematik wird ja zurzeit echt viel geschrieben, und teilweise wird die Diskussion etwas hysterisch geführt, finde ich. Jungs und Mädchen sind eben verschieden. Das hat sich schon bei meiner Schwester und mir gezeigt. Sie hat viel mehr Hausaufgaben gemacht als ich und war auch viel ordentlicher. Trotzdem haben wir beide am Ende unser Abitur gut geschafft.
"In den Medien gewinnen
kleine Details eine Bedeutung,
die sie im wahren Leben nie hatten"
Stimmt es denn, dass Ihre Vorbilder in Ihrer Jugend unter anderem der Kino-Muskelprotz Dolph Lundgren und ein damals populärer Zehnkämpfer waren?
Baum: Also meine Jugend erschöpfte sich definitiv nicht darin, Eisen zu stemmen und mich zu stählen. Die Bilder der beiden hingen mehr zufällig in meinem Zimmer, das waren kein Helden für mich. Aber in irgendeinem Interview habe ich erzählt, dass ich früher mal Fotos dieses Zehnkämpfers und von Lundgren an der Wand hatte, und in den Medien gewinnen so kleine Details dann eine Bedeutung, die sie im wahren Leben nie hatten. Das Bild, das von der betreffenden Person entsteht, ist dadurch dann ein bisschen verzerrt.
Mögen Sie Ihre TV-Rolle als richtiger Kerl eigentlich?
Baum: Diese Figuren liegen mir, ich verkörpere sie ja auch. Dieser bestimmte Typ, den ich verkörpere, scheint plötzlich wieder verstärkt Anklang zu finden. Dieses Männerbild war ein bisschen in Vergessenheit geraten, nun besinnt man sich wieder darauf.
Viele Schauspieler haben schnell Angst, in einer Schublade zu landen, auf einen bestimmten Typ festgelegt zu werden.
Baum: Diese Angst kapiere ich nicht, was soll denn die Hosenscheißerei? Wovor fürchten sich diese Leute? Sie sollen sich freuen, wenn es mal so richtig gut läuft. Ich habe überhaupt keine Angst vor irgendwelchen Schubladen, ich passe nämlich in keine. Und wenn ich in eine reinkomme, mache ich sie eben wieder auf und springe raus. Ich habe in der Serie "Mit Herz und Handschellen" jahrelang einen schwulen Kommissar gespielt, das hat mir überhaupt nicht geschadet. Ich spiele alle möglichen Typen, ich habe bei meinem Beruf überhaupt keine Angst. Ich hoffe natürlich, dass mir immer die Spiellaune erhalten bleibt, dass ich nie von meinem Job gelangweilt und müde bin – aber das ist wirklich das Einzige, was man als Sorge bezeichnen könnte.
Henning Baum ("Der Seewolf", "Mit Herz und Handschellen") spielt in der dritten Staffel der Serie "Der letzte Bulle" den Polizisten Mick Brisgau, der nach einer Schussverletzung 20 Jahre lang im Koma lag. Nun ist er wieder im Einsatz, doch mit seinen coolen "Miami Vice"-Allüren eckt der raubeinige Macho immer wieder an – für die Rolle als 80er-Jahre-Ermittler erhielt Henning Baum zuletzt den Bayerischen Fernsehpreis. Der 39-jährige Schauspieler ist verheiratet und hat drei Kinder, er lebt mit seiner Familie in seiner Heimatstadt Essen.