Experten raten: Zieht euch warm an und genießt den Winter

Experten raten: Zieht euch warm an und genießt den Winter
Das eisige Wetter lässt die Menschen nicht nur bibbern, es hat auch seine guten Seiten. Raus in die Natur, raten Experten wie der Biopsychologe Peter Walschburger. Körper und Seele profitieren, wenn der Schutz vor den Minustemperaturen stimmt.
03.02.2012
Von Dieter Sell und Jörg Nielsen

Klirrende Kälte, glatte Straßen und obdachlose Menschen, die auf der Straße erfrieren: Die Wetter-Schlagzeilen warnen in diesen Tagen vor dem Winter, der Deutschland im eisigen Griff hat. Doch es gibt auch eine andere Seite der Minustemperaturen, eine Lust an Väterchen Frost, sagt der Berliner Biopsychologe Peter Walschburger. "Wer nicht gerade krank ist, sollte jetzt rausgehen", rät der Wissenschaftler. "Die Kälte und die Sonne, das ist herrlich und stärkt Körper und Seele."

Zwar kommen die eisigen Luftmassen aus Sibirien, aber von sibirischer Kälte zwischen Nordsee und Alpen mag Walschburger nicht reden. Tageswerte bis zu zehn Grad minus sind für ihn eine "milde Kältebelastung", auch wenn Wind und Luftfeuchtigkeit die gefühlte Temperatur frostiger erscheinen lassen. "Für den Körper fängt der Kältestress bei minus 30 Grad Celsius an." Mediziner wie der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Niedersachsen, Heinz Jarmatz, unterstützen den Wissenschaftler: "Dieses herrliche Wetter ist bei der richtigen Kleidung kein Problem. Erkältungsträchtig ist nasses Wetter um den Gefrierpunkt."

[listbox:title=Schnee ist nicht gleich Schnee[Schneeflocken zeigen sich als milliardenfaches Puzzle von einzigartigen Eiskristallen. Ihre einzige Gemeinsamkeit ist, dass alle Kristallarten sechseckig sind, weil sich Wassermoleküle stets in einem Winkel von 120 Grad anordnen. Schnee präsentiert sich allerdings in ganz unterschiedlichen Formen:##NEUSCHNEE ist in seiner Kristallform noch erkennbar und jünger als 24 Stunden.##ALTSCHNEE ist älter und hat seine ursprüngliche Form schon verloren.##PULVERSCHNEE ist leicht und locker und fällt bei besonders niedrigen Temperaturen.##WILDSCHNEE wird extrem lockerer Neuschnee genannt.##PAPPSCHNEE ist feucht und etwas schwerer.##FEUCHTSCHNEE oder SULZSCHNEE ist durch weitere Nässe noch schwerer.##NASSSCHNEE ist stark durchnässt, es rinnt Wasser heraus.##FILZSCHNEE ist etwas verdichtet und kann leicht feucht sein.##FAULSCHNEE ist großkörniger Nassschnee, in dem Skier versacken.##FIRN ist durch Schmelz- und Gefriervorgänge stark verdichteter Altschnee.##GLETSCHEREISSCHNEE heißt der weiter verdichtete Firn.##KUNSTSCHNEE oder technischer Schnee entsteht, wenn Schneekanonen Wassertropfen bei unter minus vier Grad Lufttemperatur versprühen. (dpa)]]

Joggen sollten nur Profis

Sportlern rät Jarmatz bei den gegenwärtigen Minusgraden allerdings, es ruhiger angehen zu lassen. "Joggen sollten jetzt nur noch durchtrainierte Leute, die sich an die Kälte gewöhnt haben." Wichtig sei warme Kleidung, besonders bei kleinen Kindern und alten Menschen. Da gilt das Prinzip Zwiebel: viele Kleidungsstücke übereinander, die in wärmeren Räumen je nach Bedarf schichtweise ausgezogen werden können.

Die richtige Kleidung fängt bei den Schuhen mit warmer Sohle an und geht bis zur Mütze. "40 Prozent der Körperwärme werden über den Kopf abgegeben", warnt Ulrike Fieback, Sprecherin der Technikerkrankenkasse in Hannover.

Ansonsten kann der Kontrast zwischen warmen Räumen und frostiger Kälte draußen durchaus gut tun, betont Walschburger, Professor der Freien Universität Berlin. Wer sich nur drinnen aufhalte, könne seine Anpassungsfähigkeit verlieren. "Sauna und Spaziergänge in der Kälte trainieren die Thermoregulation des Körpers", schwärmt der Biopsychologe, der selbst begeisterter Wintersportler ist.

"Der Wechsel vom Warmen ins Kalte regt den Stoffwechsel an", ergänzt Krankenkassen-Expertin Fieback. "Außerdem stärken die Sonnenstrahlen mit ihrem UV-Licht das Immunsystem." Und nicht nur das, weiß Walschburger, der in einem Spaziergang auch ein Mittel gegen die Winterdepression sieht: "Durch mehr Sonnenlicht wird in unserem Körper mehr vom Glückshormon Serotonin produziert, das unsere Lebensgeister weckt."

Bewegung im Freien ist gut gegen Schlafprobleme und Depressionen

Also raus ins Licht zum Eislaufen, zu Langlauf oder Rodelpartie. Walschburger rät, die langsam länger werdenden Tage zu nutzen. "Oft entfernen wir uns von der Natur", bedauert der Experte. "Wir machen die Nacht zum Tag, halten uns mehr in geschlossenen Räumen auf, arbeiten im Schichtdienst, schlucken Hormone." Besser sei es, sich dem Rhythmus der Natur anzupassen, um Schlafproblemen, Depressionen oder Herz- und Kreislaufstörungen vorzubeugen.

Wer echte sibirische Temperaturen kennengelernt hat, ist ohnehin über die aufgeregte Frostdebatte in deutschen Medien erstaunt. So wie die 41-jährige evangelische Theologin Stefanie Fendler, die bis vor einem Jahr als Auslandspastorin noch durch das verschneite Sibirien fuhr. "Die Menschen in Russland hadern weniger mit dem Wetter und nehmen es so hin, wie es ist."

Diese Einstellung hat die Pastorin mit nach Deutschland in die Lüneburger Heide genommen, wo sie jetzt arbeitet. "Ich freue mich über die Kälte, die Sonne und den blauen Himmel", sagt sie. In Sibirien hatte Fendler immer ein Teelicht und eine Streichholzschachtel in ihrer Handtasche dabei. "Wenn das Auto liegen bleibt, hält die Kerze den Innenraum noch eine Weile warm." In Deutschland braucht sie die Utensilien nicht mehr. Hier sind die Pannendienste im Notfall schneller.

epd