Die Macht der Worte: "gewaltfrei" Konflikte lösen

Die Macht der Worte: "gewaltfrei" Konflikte lösen
Vom Konflikt zur Kooperation - Ob im Arbeitsleben, in der Partnerschaft oder im Alltag: Mangelnde Kommunikationsfähigkeit führt zu Problemen. Das Konzept der "Gewaltfreien Kommunikation" bietet Anregungen, wie offen und direkt miteinander gesprochen werden kann. Dabei spielen Wertschätzung und Respekt eine große Rolle.
01.02.2012
Von Sarah Salin

Ein wenig aufgeregt ist Hannes Hofmann schon. Schließlich ist es das erste Seminar in "Gewaltfreier Kommunikation" (GFK), das der 25-Jährige leitet. "Ich bin noch in der Ausbildung zum GFK-Trainer", sagt er ganz bescheiden. Dabei sieht der von ihm hergerichtete Seminarraum so aus, als wäre der Student schon ein routinierter Veranstalter: In der Mitte sind frische Blumen drapiert, Obst, Kekse und Tee stehen bereit, der Beamer läuft, ruhige Entspannungsmusik klingt im Hintergrund und an den Wänden hängen Plakate mit Sätzen wie "Wertschätzung ist die Grundlage einer jeden Beziehung".

Die zehn Teilnehmer, die an dem Samstagmorgen so langsam nach und nach ihren Weg zu dem Seminar in der Freien Universität Berlin finden, treten mit einem Lächeln in den Raum. "Ich hatte gleich ein Gefühl für die geistige Haltung, die hinter dem Konzept der Gewaltfreien Kommunikation steht", berichtet eine Teilnehmerin später. Besonders gut habe ihr gefallen, dass in der der Mitte des Raumes um die Blumen herum kleine Papierkarten lagen, auf denen verschiedene Wörter gestanden waren: Nähe, Luft, Bewegung, Inspiration, Verständnis und viele weitere Begriffe.

"Ihr könnt euch die Karte nehmen, auf der der Wert steht, der euch gerade im Leben besonders wichtig ist", erklärt Hofmann. Sich darüber klarwerden, welche Bedürfnisse Menschen empfinden, ist einer der Ausgangspunkte auf denen die Gewaltfreie Kommunikation aufbaut. Denn es gehe nicht darum, einfach nur bestimmte sprachliche Phrasen zu erwerben, sagt der Psychologiestudent: Wesentlich für gelingende Kommunikation sei die Haltung der miteinander Sprechenden.

Verstehen, wie es dem anderen geht

Es gehe in der GFK um Offenheit und Empathie, lernen die Teilnehmer, vielen von ihnen studieren an der Freien Universität. Offenheit ist erforderlich, um klar und ehrlich äußern zu können, welches Bedürfnis einen Sprechenden antreibt. Dann fällt es dem Gegenüber häufig leicht, empathisch zu verstehen, wie es dem anderen geht. Dies ist - vereinfacht beschrieben - der Prozess von "verbindender Kommunikation", wie es auch in dem Lehrbuch "Gewaltfreie Kommunikation - Eine Sprache des Lebens" von GFK-Begründer Marshall Rosenberg heißt.

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Der heutige Psychologe und Autor, der in einem damals brodelnden Viertel von Detroit aufgewachsen ist, entwickelte früh ein starkes Interesse an Kommunikationsformen, die deeskalierend wirken können. In Rosenbergs Kindheit ereignete sich direkt in dem Viertel seines Familienhauses ein ethnischer Konflikt, bei dem mehr als 40 Menschen starben. Rosenberg, damals und heute immer noch davon ausgehend, dass die Freude am Geben und Nehmen zutiefst dem menschlichen Wesen entspricht, fragte sich: Wie geschieht es, dass Menschen ihre Empathie für andere verlieren und gewalttätig werden?

Um dies zu thematisieren, hängen in dem Berliner Seminarraum Bilder – auf den einen sind Giraffen und auf den anderen sind Wölfe. "Es gibt in der GFK die sogenannte Wolfsprache", erklärt Hofmann den Teilnehmern. Dies sei fordernde, gewaltvolle Kommunikation, die über den Gesprächspartner aburteile und keine Raum für seine Bedürfnisse lasse. Sie trete meist zu Tage, wenn der Sprecher selbst an unerfüllten Bedürfnissen leide, meint Rosenberg.

Für Paare, Schulen, Occupy-Camps

Giraffensprache bezeichnet in der GFK hingegen den respektvollen, wertschätzenden Umgang miteinander. In Hofmanns Seminar und auch in bundesweit existierenden Übungsgruppe, trainieren GFK-begeisterte diese Sprachform. Es geht in Konfliktsituationen darum, dass zwei Menschen möglichst klar über ihre Bedürfnisse sprechen und versuchen, gemeinsam Strategien zu entwickeln, wie es zu beidseitiger Zufriedenheit kommt. "Aus dem gegenseitigen Vertrauen, dass diese Aufrichtigkeit gelebt werden kann können so Beziehungen entstehen, die sehr starke Konflikte aushalten können". sagt Hofmann. "Man ist sich in jedem Augenblick der Wertschätzung des Anderen sicher."

Das Konzept der GFK kann in vielen Bereichen verwendet werden, so etwa in Bildungseinrichtungen, Organisationen, Institutionen, privaten Beziehungen, Therapie, Beratung, Verhandlungen, Diplomatie - eben überall, wo kommunikative Konflikte auftreten. "StandUpForSchool" ist beispielsweise ein seit Februar 2010 laufendes Modellprojekt an Schulen, das Stand Up Comedy mit GFK und Theaterpädagogik kombiniert. Schirmherr ist Dieter Hallervorden. Es gab auch schon ein Projekt in der Justizvollzugsanstalt Hannover. Ein anderes Beispiel ist die "Occupy Wall Street Bewegung", im Rahmen dessen haben GFKler eine "Empathie Hotline” eingerichtet - für Occupy Wall Streetler, die sich gerade verzweifelt fühlen und Unterstützung brauchen. Einige GFK-Trainer reisten sogar nach Palästina, um in dem vom Krieg aufgewühlten Land deeskalierend zu wirken.


Sarah Salin ist Diplom-Journalistin und wohnt in Berlin.