Der Würzburger Arzt August Stich, der sich mit seinem Team von der Missionsärztlichen Klinik um die medizinische Versorgung der Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft kümmert, sagte, die psychisch labile Konstitution des Mannes sei seit Monaten bekannt gewesen. Bereits im Dezember habe er Selbstmordabsichten geäußert und sei deshalb in der Würzburger Uniklinik für Psychiatrie begutachtet worden. Man habe empfohlen, "an der Art der Unterbringung etwas zu verändern".
Nichts von Empfehlung gewusst?
"Mit dieser Empfehlung ist allerdings niemand an die Regierung oder an die Verwalter der Gemeinschaftsunterkunft herangetreten", sagte der Regierungssprecher. Vom Medizinischen Dienst lägen für den 29-Jährigen "keine Atteste" vor. Hingegen sagte der Mediziner Stich, die psychisch desolate Situation des Mannes sei der Verwaltung "selbstverständlich bekannt" gewesen.
Für Stich ist der Tod "kein Einzelfall", etliche der Bewohner seien von Folter traumatisiert und müssten nun trotzdem in ehemaligen Kasernen leben. "Die Gemeinschaftsunterkünfte machen krank", sagte er. Kein Bundesland gehe so schlecht mit Flüchtlingen um wie Bayern. Für ihn und seine Mitarbeiter gehe es nun darum, die vielen anderen psychisch angeschlagenen Menschen in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft vor Nachahmungstaten abzuhalten.
Eine Sprecherin des bayerischen Sozialministeriums wies die Vorwürfe zurück. Bereits jetzt lebten im Freistaat "etwa 50 Prozent" der Asylbewerber und Asylberechtigten in Privatwohnungen. Bayern halte sich an die Bundesgesetze und sehe "keinen Grund, davon abzuweichen", sagte die Sprecherin dem epd. Aus medizinischen oder auch familiären Gründen sei überdies laut Gesetz eine Auszugsgestattung möglich.
Keine Hinweise auf Fremdverschulden
Ein 29-jährige Asylbewerber aus dem Iran hat sich in der Nacht zum Sonntag in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft offenbar das Leben genommen. Er habe sich in seinem Zimmer eingeschlossen und erhängt, teilte die "Internationale Föderation Iranischer Flüchtlinge" am Montag mit. Die Regierung von Unterfranken bestätigte dem epd den Todesfall. Man gehe von einem Suizid aus. Auch die Polizei geht von einer Selbsttötung aus. Es gebe keine Hinweise auf Fremdverschulden, teilte das Polizeipräsidium Würzburg mit.
Nach Angaben der Flüchtlingsorganisation hatten Mitbewohner den Sicherheitsdienst darüber informiert, dass sich der Mann in Selbstmordabsicht in seinem Zimmer eingeschlossen habe. Die Mitarbeiter hätten vergeblich versucht, in das Zimmer des Mannes zu gelangen. Auch die Polizei konnte die schwere Eisentür nicht öffnen. Dies sei erst der herbeigerufenen Feuerwehr gelungen, doch zu diesem Zeitpunkt sei der Mann bereits tot gewesen.
Ein Sprecher der Regierung von Unterfranken bestätigte den Ablauf der Rettungsversuche. Er betonte, "dass nach bisherigem Kenntnisstand keinerlei Zusammenhang zwischen dem Suizid und Art und Weise der Unterbringung besteht". Die Flüchtlingsorganisation hatte erklärt, Grund für den Selbstmord sei die "menschenunwürdige Situation" in der Gemeinschaftsunterkunft gewesen.
"Für die Freiheit gestorben"
Nach Angaben der Föderation Iranischer Flüchtlinge war der Iraner verheiratet und Vater eines Kindes, Ehefrau und Kind lebten jedoch weiter im Iran. Der Mann habe seit sieben Monaten in Würzburg gelebt. Auf Transparenten bei der gestrigen Demonstration hieß es, der 29-Jährige sei "für die Freiheit" gestorben. Nach Polizeiangaben beteiligten sich zeitweise bis zu 80 Personen an dem spontanen Protestmarsch vom Hauptbahnhof zum Rathaus.
Als Reaktion auf den Todesfall plant die Flüchtlingsorganisation außerdem am 13. Februar ab 12 Uhr in Würzburg eine weitere Demonstration, zu der 400 Teilnehmer erwartet werden. In der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft gab es gestern Abend eine Gedenkfeier für den verstorbenen Iraner, 70 muslimische Bewohner legten aus Trauer einen Fastentag ein.