"Wir müssen die Privatisierung der Natur stoppen"

"Wir müssen die Privatisierung der Natur stoppen"
Ureinwohner aus Ecuador, Studenten aus Chile, Intellektuelle aus Palästina und Frankreich: Aktivisten aus der ganzen Welt tummeln sich am Wochenende im alten Gaswerk von Porto Alegre. Die Abschlussveranstaltung des Weltsozialforums in der brasilianischen Stadt zeigt die ganze Vielfalt der globalisierungskritischen Bewegung.
29.01.2012
Von Gerhard Dilger

In den vergangenen Tagen haben die Aktivisten vor allem über ihre Forderungen an den bevorstehenden Un-Umweltgipfel "Rio+20" diskutiert. Dazu werden im Juni zahlreiche Staats- und Regierungschefs am Zuckerhut erwartet. In Rio de Janeiro will die Bewegung Präsenz zeigen: "Wenn wir nicht die Menschen auf die Straße bringen und einig auftreten, haben wir in Rio keine Chance", ruft die südafrikanische Globalisierungskritikerin Mercia Andrews beschwörend ihren Mitstreitern bei der Abschlussveranstaltung zu.

Kapitalismus mit ökologischem Anstrich

Und Jürgen Reichen vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) unterstreicht: "Eins ist klar: Die Zivilgesellschaft der Welt will eine andere Rio+20-Konferenz als bislang von den Vereinten Nationen geplant." Schwerpunkt des UN-Umweltgipfels soll die "grüne Wirtschaft" - also ein Kapitalismus mit ökologischem Anstrich - werden. Dabei drohten Themen wie Menschenrechte, Gerechtigkeit und kleinbäuerliche Landwirtschaft zu kurz kommen, warnt Reichel.

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Die Konferenz in Rio will die Weltbürgerbewegung dazu nutzen, um für ihre Vorschläge zu werben. Der kanadische Gentech-Kritiker Pat Mooney etwa betont: "Weltweit werden immer noch 70 Prozent der Lebensmittel von Kleinbauern produziert, und jeweils 70 Prozent des Wissens über Artenvielfalt und medizinische Heilmittel befinden sich im Besitz indigener Völker". Dieses Potenzial gelt es vor dem Zugriff der transnationalen Konzerne zu schützen, sagt Mooney, "wir müssen die Privatisierung der Natur stoppen".

Der geplanten Abschlusserklärung der Regierungen in Rio, in der auf Wirtschaftsliberalisierung und anhaltendes Wachstum als Motor jeglicher Entwicklung gesetzt wird, wollen die Globalisierungskritiker ein Alternativkonzept entgegenstellen.

Vorschlag: Soziale Eigentumsformen statt Privateigentums

Dabei kristallisieren sich die "Commons", die Gemeingüter, als neue Leitlinie heraus. Der alte Gegensatz zwischen Markt und Staat sei nur noch sehr bedingt tauglich, um Auswege aus der Krise aufzuzeigen, meint die Commons-Expertin Silke Helfrich, eine Mitautorin des Papiers: "Wir müssen eine neue Begrifflichkeit für die Welt entwickeln, die wir wollen. Auf diesem Weg sind wir hier einen Schritt vorangekommen".

So wird im ersten Entwurf zum Alternativkonzept eine "radikale Demokratisierung von Wirtschaft und Politik" gefordert. "Statt dem Monopol des Privateigentums schlagen wir soziale Eigentumsformen vor, um die Kontrolle, die Verwendung und den Erhalt der Ressourcen zu garantieren", heißt es da. Die lebensnotwendigen Gemeingüter wie Luft, Energie, Land, Wasser, Wälder oder Artenvielfalt müssten dem "Zugriff der Märkte und des Finanzkapitals" entzogen werden.

"Gemeinsam setzen wir uns für eine neue Rio-Erklärung ein", sagt EED-Sprecher Jürgen Reichel, der auch im Internationalen Rat des Weltsozialforums sitzt. "Neben Umweltfragen muss es dabei auch um Gerechtigkeit und die Überwindung der Armut gehen."

epd