Wehrbeauftragter: Maßvolle Kritik statt Frontalangriff

Wehrbeauftragter: Maßvolle Kritik statt Frontalangriff
Die Affären um die "Gorch Fock" und geöffnete Feldpost sind längst vergessen. Ein Imageproblem hat die Bundeswehr derzeit nicht. Aber der Umbau der Streitkräfte macht den Soldaten zu schaffen.
25.01.2012
Von Michael Fischer

Als Hellmut Königshaus vor einem Jahr seinen ersten Jahresbericht als Wehrbeauftragter vorlegte, bot die Bundeswehr ein desaströses Bild. Die "Gorch Fock"-Affäre um den tödlichen Sturz einer Kadettin aus der Takelage des Segelschulschiffs sorgte ebenso für Schlagzeilen wie der Tod eines Soldaten in Afghanistan durch einen Schuss aus der Waffe eines Kameraden. Die Affäre um geöffnete Feldpostbriefe aus dem Einsatz tat ihr übriges.

Königshaus hatte alle drei Affären mit ins Rollen gebracht. Zudem beschwerte er sich damals regelmäßig über Ausrüstungsmängel im Afghanistan-Einsatz und avancierte damit zu einem der Lieblingsgegner des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

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Zwölf Monate später gibt es einen neuen Minister, die Affären sind abgeräumt und das Image der Bundeswehr wieder einigermaßen geradegerückt. Und auch Königshaus hat sich geändert. Nachdem sich Abgeordnete des Verteidigungsausschusses über zu starkes Eingreifen des 61-Jährigen in aktuelle politische Debatten beschwert hatten, wurde der Wehrbeauftragte deutlich ruhiger und konzentrierte sich auf sein Kerngeschäft als "Anwalt der Soldaten".

Bundeswehrreform sorgt für Stimmungstief

Der Jahresbericht 2011, den Königshaus am Dienstag vorstellte, ist deutlich dünner als im Vorjahr. Auch die Zahl der Beschwerden von Soldaten ist gesunken. Dass alles gut ist bei der Truppe, kann man daraus trotzdem nicht schließen. Bei seinen 46 Truppenbesuchen habe er "durchgängig eine schlechte Stimmung und eine tiefgreifende Verunsicherung" festgestellt, sagte Königshaus bei der Vorstellung des Berichts.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, stellt in Berlin den Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2011 vor. Der Wehrbeauftragte informiert in seinem Jahresbericht über den inneren Zustand der Bundeswehr, womit es dem Parlament ermöglicht werden soll, beschriebene Missstände und Fehlentwicklungen in künftige politische Entscheidungen einzubeziehen. Foto: dpa/Stephanie Pilick

Ein Grund für das Stimmungstief ist die Bundeswehrreform, die erstmals in einem Bericht des Wehrbeauftragten berücksichtigt wurde. Seit Frühjahr 2010 sorgen sich die Soldaten darum, welche Auswirkungen die damals angekündigte Reform auf ihre persönliche Zukunft haben wird. Ein wenig Klarheit hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière inzwischen geschaffen. Im Sommer 2011 wurden die Eckpunkte der Reform festgeklopft, im Herbst folgte das Standortkonzept. Trotzdem wissen immer noch viele Soldaten nicht, wo sie im Zuge der Reform hinverfrachtet werden. Die Feinplanung soll erst im Frühjahr stehen.

Mängel in der Ausrüstung und der Verpflegung

Bei der Ausrüstung in Afghanistan drängelt Königshaus nicht mehr so stark wie früher. Einiges hat sich getan: De Maizière hat mehr gepanzerte Fahrzeuge in den Einsatz geschickt und die Bewaffnung der Soldaten verbessert. Dafür erhält der CDU-Politiker von Königshaus ein außergewöhnlich dickes Lob: "Bemühungen des Bundesministeriums der Verteidigung, erkannte Mängel abzustellen, sind unverkennbar. In vielen Bereichen haben sie zu teils deutlichen Verbesserungen geführt."

Trotzdem gibt es weiterhin eine Mängelliste, auf der ausgerechnet Sanitätshubschrauber ganz oben stehen. Ohne die Hilfe der USA, von der man nicht weiß wie lange sie noch gewährt wird, hätte die Bundeswehr bei der Rettung von Verwundeten ein echtes Problem.

Die Beschwerden von Soldaten betreffen aber auch banalere Bereiche wie das leibliche Wohl. "Bemängelt wurde sowohl die Qualität als auch die Eintönigkeit der Verpflegung im Einsatz", heißt es im Bericht. Zu einem ernsthaften Problemfall wurde allerdings die Feldküche im Camp Marmal in Masar-i-Scharif (Afghanistan). Die hygienischen Zustände dort führten bei 200 Soldaten zu Lebensmittelvergiftungen.

dpa