Jugendkirchen: "Neue Bilder von Jesus malen"

Jugendkirchen: "Neue Bilder von Jesus malen"
Brauchen junge Menschen eine eigene Kirche? "Ja", sagt die rheinische Landesjugendpfarrerin Simone Enthöfer (43), die aber sofort hinzufügt: "Doch Jugendliche kosten auch Geld." Um das 220-köpfige Parlament (die Synode) ihrer mit 2,8 Millionen Mitgliedern zweitgrößten Landeskirche nicht von vornherein zu verprellen, hat sie ihren Antrag auf mehr Jugendkirchen ohne finanzielle Forderungen eingereicht. Und damit Erfolg gehabt.
24.01.2012
Von K. Rüdiger Durth

Präses Nikolaus Schneider (63), zugleich Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat eine klare Meinung zum Thema: "Jugendkirchen und Jugendgemeinden sind ein konkretes Zeichen des missionarischen Aufbaus mitten in unserer Volkskirche. Jugendliche machen sich im wahrsten Sinne des Wortes ihre Kirche zu eigen."

Nun hat das rheinische Kirchenparlament die 38 Kirchenkreise und 743 Kirchengemeinden aufgefordert, Jugendkirchen und Jugendgemeinden intensiver als bislang zu fördern. Gedacht ist dabei vor allem an die Gemeinden einer Stadt, gemeinsam eine Jugendkirche zu unterhalten.

Angebot für bis zu 25-Jährige

Gleiches gilt für Landgemeinden, die einen zentralen und für junge Menschen gut erreichbaren Ort suchen und neue Wege für und mit jungen Menschen gehen. Denn so gern der Satz zitiert wird, die Zukunft der Kirche gehöre der Jugend, so wird doch in der Regel das meiste Geld eines Kirchenkreises oder einer Kirchengemeinde für althergebrachte Aufgaben ausgegeben. Die Jugendlichen kommen meist zu kurz.

Dennoch wächst die Zahl der Jugendkirchen, sagt Michael Freitag von der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend (aej) in Hannover. Für den Referenten für Theologie und Jugendforschung kommt es jedoch darauf auf eine genaue Definition an: Jugendkirchen sind nicht mehr benötigte Gotteshäuser oder kirchliche Räume, die nur den Jugendlichen zur Verfügung stehen. Jugendgemeinden sind hingegen Gruppen junger Christen, die ein eigenes kirchliches Leben aufbauen. Gemeinsam ist ihnen in der Regel, dass ein Jugendpfarrer oder -leiter zusammen mit einem Team junger Menschen die Arbeit leitet und koordiniert.

Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass nicht nur die ehrenamtlichen Teams, sondern auch die Themen und Anforderungen häufig wechseln. Das ergibt sich schon aus dem Alter der Jugendgemeinden, das in der Regel die Altersspanne zwischen zwölf und 25 Jahren umfasst.

Keine Alternative zu Kino und Disco

Insgesamt gibt es gegenwärtig in Deutschland rund 70 landeskirchliche Jugendkirchen, schätzt Michael Freitag, außerdem noch einmal gut doppelt so viele freikirchliche und katholische. Dabei handelt es sich um Jugendkirchen im wörtlichen Sinn - also Jugendliche, denen eine eigene Kirche oder ein eigenes Haus zur Verfügung steht.

Der Kölner Jugendkirche "geistreich" steht beispielsweise eine nicht mehr von der Gemeinde benötigte Notkirche zur Verfügung, die nach dem 2. Weltkrieg errichtet wurde. Junge Menschen aus drei Kirchengemeinden haben sich nach eigenem Bekunden zum Ziel gesetzt, "Jugendliche neu zu erreichen, sie zu begeistern und Glauben in verständlichen, interessanten und lebensnahen Ausdrucksformen zu vermitteln".

Jugendkirchen werden nicht als weiteres Freizeitangebot für junge Menschen verstanden, das in Konkurrenz zu anderen Angeboten einer Großstadt steht, sondern als Raum "zum selbst Erfahren und Mitgestalten". Jugendkirche ist nicht Kirche für Jugendliche, sondern Kirche mit ihnen gemeinsam. Jugendkirchen als Begegnungszentren sind immer auch Bildungs- und Freizeiteinrichtungen.

Ein Fünftel der Kosten wird selbst erwirtschaftet

Aber der selbst gestaltete Gottesdienst gehört ebenso zum Zentrum einer Jugendkirche wie die selbst einstudierte Musik, die auch im Gottesdienst zum Einsatz kommt, oder die Gesprächsrunden über Bibel, Glaube, Kirche, persönliche Probleme. Wichtig ist es, dass die jungen Menschen ihre eigene religiöse Sprache finden.

Kirchengemeinden oder -kreise, die über eine eigene Jugendkirche verfügen, wollen sie nicht mehr missen. So gibt es für die Diasporaregion Cochem an der Mosel eine Jugendgemeinde, deren Leitung 2009 in einem Gottesdienst eingesegnet wurde und unter dem Namen "youcom" firmiert. Sie mietet mehrmals im Jahr ein Kino oder Turnhallen für Veranstaltungen an und verfügt über Räume in Gemeindezentren.

Neben zentralen Veranstaltungen gibt es auch in den ländlichen Gebieten der Region Cochem Veranstaltungen. Besonders wichtig sind der Jugendkirche die monatlichen Jugendgottesdienste, beispielsweise als offene Gottesdienste in einem Kino. Selbstverständlich beteiligen sich die Mitglieder der Jugendkirche auch an Aktionen der Gesamtkirchengemeinde Cochem. 20 Prozent ihres Etats erwirtschaftet die Jugendkirche übrigens selbst.

Drei Etagen und hundert Ehrenamtliche

Drittes Beispiel: die Jugendkirche Rheydt in Mönchengladbach, deren Zentrum sich in einem Altbau mit drei Etagen befindet. Auch diese Jugendkirche besteht seit 2009 und aus einem Team aus einem Jugendpfarrer, vier Jugendleitern, einem Bandcoach und gut 100 ehrenamtlichen Mitarbeitern im Alter von 13 bis 15 Jahren. Ihr Geld erhält die Rheydter Jugendkirche von der Kirche, aber auch eine Stiftung und zahlreiche Sponsoren haben sich bereit erklärt, diese beispielhafte Arbeit zu unterstützen.

Besonders stolz sind die Mitglieder der Jugendkirche darauf, "dass so viele Jugendliche mitarbeiten wollen, viele Aktionen selbstständig laufen und Jugendliche selbst die Verantwortung für Aktionen wie beispielsweise 'Stay & Pray' übernehmen, ohne dass Hauptamtliche dies organisieren müssen". Die "eigene" Jugendkirche gibt Heimat und bietet Platz für ein reichhaltiges Angebot vom Jugendgottesdienst über 'workship im Wohnzimmer', die Reihe 'Jugendkirche trifft …' bis hin zu Special Events und offenen Treffen.

"Der Jugendkirchen-Gedanke soll gelebt werden"

Gibt es da noch offene Wünsche? Die Antwort ist klipp und klar: "Grundsätzlich wünschen wir uns, dass überall Jugendkirchen und der Jugendkirchen-Gedanke in der großen Kirchenlandschaft entstehen und gelebt werden." Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn innerhalb der Gesamtkirche hat sich längst herumgesprochen, dass, wie es Michael Freitag ausdrückt, Jugendkirchen "ein relativ erfolgreiches Modell" sind, um mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen. Keineswegs werden nur kirchlich orientierte Jugendliche angesprochen, sondern auch viele, die der Kirche skeptisch oder gleichgültig gegenüberstehen.

Skeptisch beurteilt der aej-Referent freilich Versuche, ökumenische Jugendkirchen einzurichten. Auf der Ebene der Verbände gebe es viel Engagement für gemeinsame Jugendkirchen, doch dieses scheitere dann in der Regel vor Ort. Inzwischen hat man entsprechende Initiativen aufgegeben und kümmert sich nur noch um evangelische Jugendkirchen. Zugleich macht man in der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend die Erfahrung, dass es weniger die Kirchenleitungen sind, die Jugendkirchen fördern, sondern vor allem Gemeinden und Kirchenkreise.

Angesichts der zurückgehenden kirchlichen Finanzen ist die Furcht nicht unbegründet, zu hohe Kosten für Jugendkirchen könnten von Neugründungen abschrecken. Doch die Erfahrungen vorhandener Jugendkirchen sprechen dafür, die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Der Essener Jugendevangelist Tobias Klug vom Weigle-Haus ist überzeugt: "Wenn Jesus in den Jugendkulturen lebendig werden soll, müssen wir ihn aus der Verpackung, in der er oft präsentiert wird, befreien. Wir müssen uns in das Denken der jungen Leute hinein versetzen, um neue Bilder von Jesus malen zu können."


K. Rüdiger Durth, Journalist und Theologe, schreibt für evangelisch.de.