Frau Kling, wenn „Hannah Mangold & Lucy Palm“ ein Quotenerfolg wird, macht Sat.1 wohl eine Reihe daraus. Wie stehen die Chancen?
Anja Kling: Ich habe große Hoffnung, dass es bei den Zuschauern ankommt. Ich selber würde mich auch als ganz normale Zuschauerin bezeichnen, ich habe ja keinen Tunnelblick, weil ich Schauspielerin bin – und mich würde das interessieren (lacht).
Sie spielen die traumatisierte Kommissarin Hannah Mangold, die nach einem Psychatrieaufenthalt in ihren alten Job zurückkehrt. Haben Sie selber schon einmal eine traumatische Erfahrung gemacht?
Kling: Nein, zum Glück noch nie. Ich wüsste auch wirklich nicht, wie ich mit der Schuld umgehen würde, die auf Hannah lastet – sie ist ja mitschuldig am Tod eines jungen Mädchens. Furchtbar, wenn man mit so was leben muss. Mein ganz spezieller Horror ist, wenn ich mir vorstelle, wie ich durch eine zugeparkte Straße fahre und mir springt ein Kind vors Auto. Dann ist man möglicherweise verantwortlich für den Tod eines Kindes, obwohl man vielleicht gar nichts dafür kann – schreckliche Vorstellung, das Allerschlimmste, was einem passieren kann.
Wie haben Sie sich auf die Rolle der traumatisierten Frau vorbereitet?
Kling: Zunächst einmal wusste ich, dass unser Drehbuchautor solche Erfahrungen selber gemacht hat, deshalb konnte ich mich in dieser Frage ganz auf seine Vorlage verlassen. Zudem hat mir Regisseur Florian Schwarz tonnenweise Material zu psychischen Erkrankungen zukommen lassen, so dass ich eine Menge zum Lesen hatte. Außerdem haben wir viel darüber gesprochen, und ich habe auch noch eine ganze Menge selber recherchiert. Wichtig war uns, Hannahs psychische Probleme zu zeigen, ohne dass es aufdringlich oder jämmerlich wirkt. Wir wollten aus ihr auf keinen Fall eine Figur machen, die nur in der Ecke sitzt und sich selbst bemitleidet, sondern eine, die mutig nach vorne geht.
"Wenn es dunkel ist, habe ich
viel mehr Ängste als am Tag"
In dem Film geht es auch um Angst. Vor was haben Sie Angst?
Kling: Davor, dass ich krank werde. Ich dachte immer, die Sorgen um die Gesundheit kommen erst mit dem höheren Alter, aber ich habe die jetzt schon (lacht). Aber im Ernst: Ich habe gerade wieder von einer Freundin erfahren, die es schwer erwischt hat, das macht einen schon nachdenklich. Man hofft einfach, dass man es selber nicht mit einer schweren Krankheit zu tun bekommt. Ich habe aber auch Angst um meine Kinder – nachts vor allem. Wenn es dunkel ist, habe ich viel mehr Ängste als am Tag, auch Existenzängste.
Aber Sie sind doch sehr erfolgreich.
Kling: Kann schon sein, aber wer heute erfolgreich ist, kann schon morgen nichts mehr zu tun haben – das ist einfach so in meinem Beruf.
Ihr Vorteil ist, dass Sie in keiner Schublade stecken, sondern seit Jahren ein ganz breites Rollenspektrum bedienen – von der Komödie über Kinderfilme bis zum Stasidrama. Das beruhigt doch ungemein, oder?
Kling: Stimmt, ich bin relativ breit aufgestellt, das habe ich mir vielleicht auch ein bisschen erarbeitet. Ich empfinde es als ganz großes Privileg, dass ich mittlerweile Vieles machen darf, das war nicht immer so. Ich war zu Beginn meiner Karriere auch in einer Schublade, da musste ich immer die gute Tochter aus höherem Hause spielen. Später war ich dann auf TV-Dramen abonniert und habe mich jahrelang durchs Fernsehen geweint. Dass ich in allen Genres unterwegs bin, war nicht immer so. Nach 20 Jahren im Beruf kann ich mir jetzt ein bisschen aussuchen, was ich machen will – dafür bin ich dankbar und hoffe, dass es auch so bleibt.
Was macht Ihnen am meisten Spaß?
Kling: Das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Es kommt immer aufs Drehbuch an. Ich drehe wahnsinnig gerne Kinderfilme, Komödien, aber auch schwere Stoffe wie erst kürzlich das Drama "Es ist nicht vorbei" über eine Frau, die in der DDR im Gefängnis saß.
Besprechen Sie Rollenangebote mit Ihrer Schwester Gerit, die auch Schauspielerin ist?
Kling: Eher mit meiner Mutter, die ja auch meine Agentin ist. Ich verstehe mich hervorragend mit Gerit, frage sie aber nicht um Erlaubnis, wenn ein Rollenangebot reinkommt (lacht).
Ihre Schwester sieht man nicht so häufig im Fernsehen wie Sie...
Kling: Das kann man so nicht sagen, sie hat ja zum Beispiel eine feste Rolle in der Serie "Notruf Hafenkante". Wer das guckt, sieht sie häufiger als mich im Fernsehen.
"Wir warten auf einen richtig
tollen Schwesternstoff"
Hätten Sie denn Lust, mal wieder was gemeinsam zu machen? Sie haben ja schon zusammen gedreht.
Kling: Allerdings, wir sind durchgehend auf der Suche nach einem geeigneten Stoff für uns beide. Es müsste aber schon etwas sein, mit dem wir uns beide wohlfühlen, das richtig gut zu uns passt. Also eher keine Angebote nach dem Motto: "Zwei Schwestern erben was, können sich aber nicht leiden" (lacht). Wir warten auf einen richtig tollen Schwesternstoff.
Sie beide leben gemeinsam mit Ihren Familien unter einem Dach in dem Ort in Brandenburg, in dem Sie auch aufgewachsen sind. Ihre Eltern leben im Haus nebenan. Funktioniert das Leben als Familienclan denn reibungslos?
Kling: Absolut, das ist das alte Prinzip der Großfamilie, jeder passt auf jeden auf. Wir haben aber keine WG, müssen uns also nichts teilen, jeder hat seine eigene Wohnung und kann auch mal die Tür zumachen. Ich glaube, dass das Modell der Großfamilie gerade wieder eine Renaissance erlebt – ich kenne jedenfalls viele, die so leben. Vor allem für die Kinder ist das gut, aus denen werden auf keinen Fall mal egoistische Einzelgänger.
In "Hannah Mangold & Lucy Palm" spielt Anja Kling eine traumatisierte Kommissarin, die nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Psychiatrie an ihren Arbeitsplatz zurückkommt und gemeinsam mit ihrer coolen Kollegin einen verzwickten Fall lösen muss. Die Schwester der Schauspielerin Gerit Kling lebt mit ihrer Großfamilie in dem Dorf Wilhelmshorst in der Nähe von Potsdam.