Bevor wir mit dem Gespräch über Ihren Job als Jurypräsident bei der Show "Unser Star für Baku" loslegen: Wie möchten Sie angesprochen werden? Mit Ihrem Künstlernamen Thomas D?
Thomas Dürr: Ich finde, Herr Präsident steht mir ganz gut (lacht).
Und wie wollen Sie Ihre Präsidentschaft angehen? Böse wie Dieter Bohlen?
Dürr: Nee, ich bin ja schon der Gute. Ich glaube, ich werde einfach sagen, was ich im Moment denke. In manchen anderen Castingshows sind ja selbst die Gefühle gescripted. Ich kriege die Krise, wenn die Juroren Sätze sagen wie: "Als du das letzte Mal da warst, hatte ich Gänsehaut. Heute, da hatte ich nur das kalte Grausen."
Insgesamt haben Castingshows nicht den besten Ruf. Hatten Sie als renommierter Musiker keine Bedenken, da mitzumachen?
Dürr: Ich habe mich schon mit meiner Familie, meiner Band und meinem Management beraten. Ich will ja einerseits meinen Spaß haben, aber ich nehme das Ganze andererseits auch ernst. Ich will keinen Kandidaten kurz mal eben ins Rampenlicht stoßen und verheizen, wie ich es in anderen Shows sehe, sondern ich will mich auch um den Menschen kümmern. Das ist eine große Verantwortung.
Sie produzieren das erste Album desjenigen, der den Vorentscheid gewinnt und als Nachfolger von Lena Meyer-Landrut für Deutschland zum Eurovision Song Contest nach Baku fährt. Mit welcher Platzierung wären Sie denn zufrieden?
Dürr: Natürlich wäre der letzte Platz echt peinlich, den will keiner, da muss man gesenkten Hauptes nach Hause gehen. Aber mein erklärtes Ziel ist nicht der erste Platz, sondern einen Künstler zu finden und den Beginn einer Karriere einzuleiten. Vielleicht ja auch mit einem Gewinn beim ESC, aber auf jeden Fall mit einer guten Performance und einem guten Album.
"Ich will
Künstlerförderung
betreiben"
Viele Castingsieger verschwinden rasch in der Versenkung...
Dürr: In den meisten Castingshows geht es doch nur um die Show. Man sucht einen, der halbwegs singen kann und interessiert sich ansonsten hauptsächlich dafür, ob es in seiner Familie Krebs oder Skandale gibt. Aber Stefan Raab hat gezeigt, dass es auch anders geht, er hat zum Beispiel Max Mutzke oder Stefanie Heinzmann gefunden, die beide heute noch Musik machen und den Weg eines Künstlers gehen – durch Höhen und Tiefen. Ich will eine Künstlerförderung betreiben, wie sie heute in Deutschland kaum noch stattfindet, weil der Musikmarkt so geschrumpft ist. Und mit der Sendung haben wir eine tolle Plattform, um direkt vom Start weg große Aufmerksamkeit auf einen Künstler zu lenken.
Allerdings werden junge Menschen wie Lena über Nacht ins Rampenlicht gerückt und müssen auch mit den Schattenseiten des plötzlichen Ruhmes klarkommen.
Dürr: Die Leute haben die Chance, von null auf hundert in aller Munde zu sein. Und vielleicht denken manche danach: Oh Gott, hätte ich es nur nie gemacht. Wie es ist, so in der Öffentlichkeit zu stehen, dieses Verlieren der Anonymität, das kann man sich nicht vorstellen, das muss man erlebt haben. Aber ich bin ja da, um die Kandidaten zu unterstützen und meine Erfahrungen mit ihnen zu teilen. Die Fantas sind vor 20 Jahren mit "Die da" auch über Nacht berühmt geworden.
Sie meinen Ihre Band, "Die Fantastischen Vier". Welches waren denn die lästigsten Begleiterscheinungen dieses Ruhmes?
Dürr: Den Tanzkurs in der "Bravo" fand ich sehr unangenehm. Da hatten sie uns dazu gebracht, dass wir uns für einen Hip-Hop-Dance in Bildern ablichten lassen, das war schon sehr bescheuert. Seit damals habe ich gelernt, auch mal Nein zu sagen.
"Stefan Raab
hat dem ESC eine
andere Farbe gegeben"
Als Hip-Hop-Musiker sind Sie vermutlich kein altgedienter Fan des Eurovision Song Contest, oder?
Dürr: Ich muss gestehen, ein richtig dauerhafter Fan war ich nie. Als Kind fand ich es toll, wenn das Europazeichen mit den Sternen kam und die Hymne lief. In meiner Jugend, als ich dem Hip-Hop verfallen bin, hatte ich nicht mehr so viel Interesse. Es war damals ja auch ein Schlagerwettbewerb. Aber dann, auch dank Stefan Raab, ist mein Interesse zurückgekommen. Er hat uns nicht nur mit Lena, Guildo Horn, seinem eigenen Song und so weiter würdig vertreten, sondern hat dem ESC auch von der Musik her eine andere Farbe gegeben.
Aber an Nicole, die 1982 mit "Ein bisschen Frieden" den Sieg für Deutschland erträllerte, können Sie sich doch erinnern, oder?
Dürr: Klar, es war wirklich grandios. Und es war ein genialer Schachzug, als sie den Refrain in mehreren Sprachen gesungen hat. Vielleicht sollte in unserem Song für Baku in jeder Sprache einmal vorkommen: "Wählt mich!" Nein, ich mach’ natürlich nur Spaß!
Bombast oder Ballade – welcher Musikstil wird Ihrer Einschätzung nach in Baku angesagt sein?
Dürr: Das Wichtigste ist, dass der Mensch, der Deutschland vertritt, authentisch ist. Dass er sein Herz auf die Bühne legt und man danach Gänsehaut hat, yeah. Ob das ein Countrymusiker ist oder eine Souldiva, ist egal. Ich bin kein Freund dieser Plastikacts, wo es nur um tolle Performance und tolle Tanzeinlagen geht. Vielleicht kann man damit sogar gewinnen – aber da fehlt mir einfach die Seele.
Und wie feiern Sie, wenn der deutsche Kandidat gewinnt?
Dürr: Jetzt geht es erst mal um die Show und das Album. Falls wir tatsächlich gewinnen sollten, dann flippe ich total aus, ich werde brennen – also emotional.
Thomas D sucht gemeinsam mit den Juroren Stefan Raab und Sängerin Alina Süggeler einen Kandidaten, der Deutschland im Mai beim ESC im aserbaidschanischen Baku würdig vertritt. "Unser Star für Baku" heißt die achtteilige Castingshow, die sich Pro Sieben und das Erste wie gewohnt teilen. Die Auftaktfolge läuft am 12. Januar bei dem Privatsender, das Finale am 16. Februar in der ARD. Thomas D wurde mit der Hip-Hop-Band "Die fantastischen Vier" berühmt, konnte sich in den vergangenen Jahren aber auch als Solokünstler einen Namen machen. Er heißt mit bürgerlichem Namen Thomas Dürr und lebt mit seiner Familie in einer ländlichen Künstlerkommune in der Eifel.