Präses Schneider: "Transparenz sorgt für Glaubwürdigkeit"

Präses Schneider: "Transparenz sorgt für Glaubwürdigkeit"
Glaubwürdigkeit hängt für den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, wesentlich daran, ob Tun und Reden im Einklang stehen. Das gelte für die Politik und den Bundespräsidenten genauso wie für Gesellschaft und Kirche, sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland in einem epd-Gespräch am Rande der rheinischen Landessynode in Bad Neuenahr.
11.01.2012
Die Fragen stellte Ingo Lehnick

Herr Präses Schneider, was sorgt für Glaubwürdigkeit in Politik und Gesellschaft?

Nikolaus Schneider: Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind fundamental für alle menschlichen Beziehungen. Sie sind auch Grundlagen für das gesellschaftliche Zusammenleben. Aber Glaubwürdigkeit muss auch ermöglicht und gefördert werden, und das ist eine Frage des Verhaltens: Das heißt für mich, sich stets zu bemühen und Tun und Reden in Einklang zu bringen, auch wenn dies nie ganz vollständig gelingen wird. Für Glaubwürdigkeit in Politik und Gesellschaft ist aber auch wichtig, treu, zuverlässig und transparent zu handeln.

Hat Bundespräsident Christian Wulff dies im Umgang mit der Kreditaffäre beherzigt und für ausreichende Transparenz gesorgt?

Schneider: Ich kenne die Zusammenhänge und Umstände zu wenig, um das beurteilen zu können. Ich kann nur sagen: Die Maßstäbe, die der Bundespräsident selbst genannt hat - Geradlinigkeit und Transparenz -, sind die richtigen und müssen mit Leben gefüllt werden.

Meinungsbildung
contra Sensationslust

 

Wie beurteilen Sie die Rolle der Medien in dem Fall?

Schneider: Die Medien haben - auch verfassungsmäßig - eine wichtige Funktion in unserem demokratischen Staatswesen und sollen den Mächtigen "auf die Finger schauen". Dazu gehören auch Informationen darüber, in welchen Beziehungen und Verflechtungen sich führende Politiker befinden. Es muss aber immer abgewogen werden, welche Informationen für die politische Meinungsbildung und damit für eine funktionierende demokratische Öffentlichkeit nötig sind und welche Aspekte lediglich die schiere Neugier und Sensationslust befriedigen. Der Ausgleich zwischen diesen beiden Polen muss gelingen.

Ist das bei der Berichterstattung über den Bundespräsidenten der Fall?

Schneider: Das lässt sich erst im Nachhinein wirklich beurteilen. Grundsätzlich gilt jedenfalls für eine faire Berichterstattung, dass die Würde aller beteiligten Menschen gewahrt und die Privatsphäre geschützt werden muss, das gilt insbesondere für Kinder.

Gewinn und Verlust von Vertrauen zeigen sich derzeit auch in der Parteienlandschaft: Die etablierte FDP erlebt eine regelrechte Erosion, die junge Piratenpartei einen unverhofft großen Zuspruch. Wie erklären Sie sich das?

Schneider: Die Piratenpartei spricht viele junge Menschen an, die sehr stark im und mit dem Internet leben. "Freiheit im Internet" lautet die wichtigste Parole. Welche Folgen hat das, und wie ist politisch damit umzugehen? Ich bin gespannt, welche Antworten die Piratenpartei auf solche Fragen entwickelt. Freiheit im Web ist jedenfalls kein ausreichendes Programm. Mit Blick auf die FDP lässt sich sagen: Auch Steuersenkungen sind kein ausreichendes Programm. Es gibt in Deutschland eine große Tradition eines breit aufgestellten Liberalismus, dem es um soziale Rechte und um Bürgerrechte geht. Diese Breite ist verloren gegangen.

Was ist mit der
Rheinischen Kirche?

 

Glaubwürdigkeit ist auch für die Kirchen von grundlegender Bedeutung. Ist die Glaubwürdigkeit der rheinischen Kirche nach den Millionenverlusten bei einem eigenen Unternehmen, der bbz GmbH, erschüttert?

Schneider: Sicherlich wird Glaubwürdigkeit durch einen solch gravierenden Fall beschädigt, bei dem wir auch mit krimineller Energie geschädigt wurden. Ohne Fehler zudecken zu wollen, ist mir aber wichtig zu betonen, dass sowohl in den rheinischen Gemeinden und Kirchenkreisen als auch in der Landeskirche sehr verantwortlich mit Geld umgegangen wird. Grundsätzlich gilt für unsere Rolle als Kirche in der Gesellschaft, was für alle gilt: Man kann nicht Wasser predigen und Wein trinken, sondern was wir reden und was wir tun, muss weitgehend übereinstimmen.

Dabei sind wir Menschen wie andere auch, mit Stärken und mit Schwächen. Man muss uns aber anmerken, dass wir uns nach Kräften bemühen, gemäß unserem Auftrag zu leben und zu handeln: dass wir zu unseren Versäumnissen und zu unseren Fehlern stehen. Und dass wir zu Umkehr und zum Neuanfang - das heißt ja Buße - fähig sind.

Wie kann nach den Vorfällen beim bbz neues Vertrauen gewonnen werden?

Schneider: Indem wir all diese Dinge umsetzen: Transparenz, Aufklärung ohne Ansehen der Person und Information der Öffentlichkeit, soweit dies bei Wahrung von Persönlichkeitsrechten möglich und zulässig ist.

epd