Schokolade gegen den Winterblues

Schokolade gegen den Winterblues
Tageslichtmangel macht schwermütig: Zwischen November und Februar drohen Winterdepressionen. In leichterer Ausprägung betrifft der sogenannte Winterblues etwa jeden Vierten in Deutschland.
09.01.2012
Von Sarah Salin

Der Wecker klingelt um 9.30 Uhr. Der Himmel ist verhangen an diesem Januarmorgen. Die Sonne lässt sich nicht blicken. Nach vielen Stunden in fensterlosen Hörsälen geht die Studentin Luise an den Wintertagen erst wieder nach Hause, wenn es längst dunkel ist. Das hat Folgen: Lichtentzug auf Dauer kann schwermütig stimmen, weiß Melanie Buschmann von der psychologischen Beratungsstellen der Technischen Universität Dortmund. "Viele Menschen fühlen sich in der dunklen Jahreszeit energielos und weniger gut gelaunt."

Winterdepressionen, wie das Phänomen im Volksmund heißt, treten in den Monaten zwischen November und Februar auf. Nach Angaben des Mediziners Volker Faust ist von den saisonabhängigen Depressionen in leichterer Ausprägung, dem sogenannten Winterblues, etwa jeder vierte Bundesbürger betroffen. Die ausgeprägtere Störungsform trete bei zwei bis fünf Prozent der Deutschen auf.

Sonnenlicht hilft, Bewegung auch

In südlicheren Ländern, beispielsweise am Mittelmeer, ist die Zahl der Winterdepressiven deutlich geringer als in Deutschland. Doch nicht nur der Lichtmangel spielt beim Entstehen der saisonabhängigen Depressionen eine Rolle. Auch die für das Wohlbefinden wichtige Bewegung kommt in der kalten Jahreszeit häufig zu kurz. "Ich jogge nur im Sommer", berichtet die 21-jährige Luise. Im Sommer lege sie viele Wege auf dem Fahrrad zurück, gehe ins Freibad und spiele oft Beachvolleyball. Im Winter vernachlässige sie dagegen den Sport: "Da bin ich lieber im Warmen auf dem Sofa."

Buschmann spricht von einer "Depressionsspirale". Wenn man wenig Lust auf Aktivität habe und daher auch wenig belebende Situationen erfahre, sinke die Stimmung, und man habe noch weniger Antrieb, eine angenehme Tätigkeit anzugehen. "Im Extremfall werden die Menschen sehr traurig oder gefühllos und unternehmen fast gar nichts mehr", so die Psychologin.

Wissenschaftlich belegt ist, dass Intensität und Menge des Tageslichts direkten Einfluss auf den Hormonhaushalt des Menschen hat. Wenig Licht führt zu einer Melantoninkonzentration, während viele Sonnenstrahlen die Serotoninbildung im Körper fördern. Serotonin, im Volksmund oft als "Glückshormon" bezeichnet, ist mitverantwortlich für das Wohlbefinden.

Schokolade! Bananen! Hunger!

Mit der winterlichen Tristesse geht häufig ein weiteres Symptom einher: ständiger Hunger, vor allem auf kohlenhydratreiche Nahrung. Der Körper verlangt beispielsweise nach Schokolade oder Bananen. Denn die aufgenommenen Kohlenhydrate bewirken eine vermehrte Produktion und Ausschüttung von Stoffen wie Serotonin im Gehirn, das die Stimmung hebt.

"Winterdepressionen werden aber immer durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren ausgelöst", erklärt die Therapeutin der Duisburger Beratungsstelle "Impuls", Ursula Handelmann. Sie ist überzeugt, dass Lichtmangel zwar häufig eine wichtige Ursache sei, doch auch die genetische Disposition eine wesentliche Rolle spiele.

"Der Volkstrauertag liegt im Winter, der Totensonntag auch. Viele denken dann an ihre verstorbenen Freunde und Verwandten," berichtet Handelmann. Viele Menschen kämen in der kalten Jahreszeit zur Ruhe, an Silvester werde über das vergangene Jahr nachgedacht, so sorgten die Wintermonate bei vielen Menschen für eine melancholische Grundstimmung.

Bei schwerer Traurigkeit zum Arzt

Gegen die Melancholie hilft Tageslicht. Zudem gibt es für die Behandlung einer saisonabhängigen Depression Medikamente wie Antidepressiva und oder auch biologische Präparate wie Johanniskraut. Bei leichter Verstimmung "können aber auch ganz einfache Dinge wie ein Besuch auf der Sonnenbank helfen", rät Handelmann. Auch heiße Bäder, Saunagänge, Massagen und frische Luft steigerten das Wohlbefinden. Bei schwerer, anhaltender und grundloser Traurigkeit empfehle es sich aber zum Arzt zu gehen.

So weit will es Luise nicht kommen lassen. Statt direkt nach der letzten Vorlesung den nass-kalten Weg nach Hause anzutreten, könnte Sport an der Uni in netter Gesellschaft ein echter Lichtblick im grauen Alltag werden: "Volleyball mag ich."

epd