EKD-Ratsvorsitzender: NPD sollte verboten werden

EKD-Ratsvorsitzender: NPD sollte verboten werden
Der traditionelle "Bericht über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse", den der Präses der 2,8 Millionen Mitglieder zählenden Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, zum Auftakt der traditionell Anfang Januar eines jeden Jahres stattfindenden Landessynode, gewinnt nicht nur dadurch Gewicht, dass die rheinische Kirche die zweitgrößte unter den 22 Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, sondern zusätzlich durch sein Amt als Ratsvorsitzender der EKD. Und so wird dieser rheinische Bericht auch zu einem gesamtkirchlichen.
09.01.2012
Von K. Rüdiger Durth

Das Herz von Präses Nikolaus Schneider (63), dem Stahlarbeitersohn aus dem Ruhrgebiet, schlägt nicht zuletzt für soziale Fragen. Diese nehmen deshalb auch immer in seinen Rechenschaftsberichten einen breiten Raum ein. So auch am Montag zum Auftakt der rheinischen Landessynode, dem Parlament der zweitgrößten evangelischen Landeskirche. Und diesmal flicht er auch eine ganz persönliche Anmerkung ein, als er dazu auffordert, dass sich "möglichst alle Menschen Gedanken über ihre Bereitschaft zu einer Organspende machen": "Im Vertrauen auf Gott, der mit dem neuen Himmel und der neuen Erde auch uns neu schaffen wird, habe ich einen Organspendeausweis ausgefüllt. Ich möchte auch anderen Mut dazu machen."

Ein Hinweis auf den dritten Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. vom vergangenen September darf in dieser Rede nicht fehlen: "Der Papst hat mit seinem Besuch in Deutschland keine neuen Fenster für konkrete ökumenische Schritte und Veranstaltungen geöffnet. Aber er hat auch keine geöffneten Fenster geschlossen. Wir werden deshalb die in den letzten Jahren geewachsenen vertrauensvollen ökumenischen Beziehungen weiter pflegen. Wir werden gemeinsam mit katholischen Schwestern und Brüdern nach konkreten Antworten auf Gottes Wort für diese Welt suchen und auch weiterhin beharrlich um konkrete Zeichen unserer Gemeinschaft in Christus ringen."

Kritik an Israel hält Schneider für notwendig

Im Blick auf Israel bekräftigt Präses Schneider, dass die rheinsche Kirche auch weiterhin die Judenmission ablehnt . Die in jüngster Zeit erhobenen Vorwürfe an Israel, dass allein schon die Staatlichkeit den einen Gott verleugne. Könne er theologisch nicht nachvollziehen. In der Bibel würden Partikularität und Universalität keinen Widerspruch darstellen. Das Existenzrecht des Staates Israel dürfe nicht in Frage gestellt werden. Kritik an der aktuellen Politik Israels sei allerdings notwendig. Das gelte freilich auch für die Politik der palästinensischen Autnomiebehörde und Kritik an den arabischen Nachbarstaaten. Schneider: "Wenn die Kritik an der Politik Israels aber einseitig und mit einer theologisch-grundsätzlichen Infragestellung der Staatlichkeit Israels erfolgt, ist für mich die Grenze notwendiger theologischer Auseinandersetzungen überschritten."

[listbox:title=Mehr im Netz[Die Landessynode der EKiR##Manuskript des Berichts von Nikolaus Schneider (PDF)]]

Der EKD-Ratsvorsitzende dankte ausdrücklich der Bundesregierung, dass sie ein besonderes Augenmerk auf die Situation bedrängter und verfolgter Christen und Christinnen in anderen Ländern der Erde lege: "Wir dürfen nicht nachlassen, für unsere Geschwister öffentlich einzutreten. Und wir dürfen nicht nachlassen, in unserer Fürbitte für alle um ihres Glaubens willen bedrängten und verfolgten Geschwister Gottes Beistand zu beten." Besonders erinnerte er an die Christenverfolgungen in Indonesien und Nigeria. Die Christenverfolgung nehme weltweit zu.

In seiner über einstündigen, mit großem Beifall aufgenommenen Rede vor den 219 Kirchenparlamentarieren spannt Nikolaus Schneider einen weiten sozialen Bogen, der von der beänstigend wachsenden Kinderarmut bis zum Verbot der NPD reicht, das freilich allein nicht ausreiche: "Ein Verbot entlastet uns jedoch nicht von der inhaltlichen Auseinandersetzung mit rechtsextremen Tendenzen in der Mitte unserer Gesellschaft und, wie Untersuchungen es zeigen, auch in unserer eigenen Mitte."

"Brich dem Hungrigen dein Brot"

Scharf geißelte Nikolaus Schneider die Verschwendung von Lebensmitteln. So würden beispielsweise die deutschen Bäckereien bis zu 20 Prozent ihrer Produkte wegwerfen. Das seien rund 500.000 Tonnen Brot: "Je mehr wir wegwerfen, desto höher wird der Preis. Hinzu kommt die Spekulation mit Lebensmitteln, die den Hungertod von Menschen in Kauf nimmt. Dazu komme noch die Konkurrenz um Anbauflächen vor allem in Entwicklungsländern, die in großem Stil zur Erzeugung von Agrartreibstoffen genutzt würden. Der Agro-Imperialsmus müsse endlich ein Ende haben Der bedrohliche "Wettlauf um Land für Teller, Tank und Trog" müsse endlich unterbrochen werden. Für Christen gelte unabdingbar das biblische "Brich dem Hungrigen dein Brot."

Die Strukturreform der Bundeswehr werde von der evangelischen Kirche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, sagte der rheinische Präses und erinnerte daran, dass das in jahrzehnten gewachsene Modell des Bürgers in Uniform "eine Verabsolutierung militärischer Logik in der Bundeswehr verhindert hat." Für die Kirche gebe es nur den "gerechten Frieden". Militärischer Einsatz dürfe nur "in ganz eng definierten Grenzen" erfolgen und sei nur so "eine sinnvolle Handlungsoption": "Militärische Gewalt kann einen nachhaltigen gerechten Frieden nicht schaffen und nicht sichern."

Große Sorgen bereitet Nikolaus Schneider die europäische Flüchtlingspolitik. Er erinnert vor dem rheinischen Kirchenparlament daran, dass allein 2011 über 1.650 Menschen auf der Flucht vor Vrfolgung, Armut und Krieg im Mittelmeer ertrunken sind: "ein menschenwürdiger Umgang mit Flüchtlingen wird uns in der Bibel als Auftrag Gottes ans Herz gelegt. Jeder einzelne Flüchtling ist für Christen und Christinnen ein Ernstfall des Lebens, an dem sich auch ihr Verhältnis zu Jesus Christus entscheidet."

Energie: Braunkohletagebau ist ein heißes Eisen

Mit dem Nein der Bundesregierung zur weiteren Nutzung der Kernenergie sei ein langgehegter Wunsch von Christen in Erfüllung gegangen. Im Blick auf den Neubau von Kohlekraftwerken merkt der Präses an, dass im Blick auf den Klimaschutz neue nur dann gebaut werden sollten, wenn alte stillgelegt würden. Kohlekraftwerke sind in der rheinischen Kirche wegen des Braunkohletagebaus ein "heißes Eisen". Schneider: "Die Energieversorgung muss die Zukunft ohne Kohle so früh wie möglich gestalten und auf den verstärkten Ausbau der Energieproduktion aus regenerativen Energiequellen setzen. Dieser Wandel muss sozial verträglich gestaltet werden."

Die von der Politik angekündigte ergebnisoffene Suche nach einem Endlager für Atommüll sei zu begrüßen. Er setzte auf ein sachgerechtes und zielorientiertes Engagement aller Beteiligten: "Die nationalen Aufgabe müssen wir uns in unserem Land stellen und dürfen uns nicht durch Exporte der hier produzierten Abfälle freikaufen." Im Blick auf die Finanzkrise warnt der EKD-Ratsvorsitzende vor einer Fortsetzung der Schuldenpolitik. Die Kosten der Krise dürften nicht allein den nachfolgenden Generationen aufgebürdet werden: "Das Primat der Politik gegenüber den Finanzmärkten muss weiter durchgesetzt werden. Ein abgestimmtes weltweites Handeln ist dafür entscheidend. Europa kann jetzt entscheidendes Anstöße geben."


K. Rüdiger Durth lebt als freier Autor in Bonn und Berlin und ist langjähriger Beobachter des politischen und kirchlichen Geschehens in Deutschland.