Jenseits der Routine: Sternsinger-Empfang bei Wulff

Jenseits der Routine: Sternsinger-Empfang bei Wulff
Segen für einen angeschlagenen Präsidenten: Bundespräsident Wulff empfängt 55 Sternsinger im Schloss Bellevue. Beobachtet von so vielen Medienvertretern wie nie bei diesem traditionellen Ereignis.
06.01.2012
Von Jutta Wagemann

Routinetermin nennt sich das. Der Bundespräsident empfängt die Sternsinger. Das ist jedes Jahr so, rund um den Dreikönigstag am 6. Januar, bei jedem Präsidenten. Für Christian Wulff gibt es aber keine Routine mehr. Seit der Bundespräsident in der Kreditaffäre mehrfach Fehler zugeben musste, sich in immer neue Widersprüche verstrickt und in den jüngsten öffentlichen Auftritten die Eignung für sein Amt vermissen ließ, wird jeder Auftritt, jeder Satz zur möglichen Fallgrube. Genau beobachtet von den Medien.

Rund 120 Kameraleute, Fotografen und Berichterstatter haben sich am Freitagvormittag im Schloss Bellevue eingefunden. Wulffs Lächeln in Richtung Journalisten gerät denn auch etwas zwanghaft, als er sich samt seiner Frau mit den 55 Kindern auf der Treppe seines Amtssitzes präsentiert.

"Heute mutig für Sachen stehen"

Einer der kleinen Könige malt den traditionellen Segensspruch an die Eingangstür des Schlosses. "Die Zeichen für den Segen Gottes wollen wir nun schreiben. Sie sollen wie der Segen selbst das ganze Jahr hier bleiben", reimt dazu eine Sternsingerin. In Zeiten, in denen die Öffentlichkeit täglich mit dem Rücktritt des Präsidenten rechnet und gar nicht mehr in Jahreszeiträumen denkt, geraten solche harmlosen Sätze schnell zum Fluch.

Wulff scheint die Routine tatsächlich abhandengekommen zu sein. Wie seine Vorgänger oder er selbst im vergangenen Jahr könnte er es bei netten, langweiligen Gruß- und Dankesworten belassen. Tut er nicht. Indirekt geht er sogar auf den Medienwirbel um seine Person ein. Alles habe immer zwei Seiten. Die positive Seite sei, "dass das Wirken der Sternsinger endlich richtig gewürdigt wird", sagt er mit Blick auf die Masse der Medienvertreter.

Er lobt die Kinder, die verkleidet als die Heiligen Drei Könige Spenden sammeln, und zieht eine Linie zu seiner persönlichen Situation: Wer an fremde Türen klopfe und vor fremden Menschen Gedichte aufsage, habe auch später im Leben Mut. "Meine Sternsinger-Zeit hat mir geholfen, dass man heute mutig für seine Sache stehen kann."

"Wir sollen alle ein Segen sein"

Wie in seinem Interview bei ARD und ZDF lässt Wulff es wieder menscheln. Er erwähnt seinen Sohn, der gerade in seinem Arbeitszimmer spiele. Magen-Darm-Infekt in der Kita, der Kleine konnte nicht hingehen, und da sei es sehr praktisch, dass es im Arbeitszimmer eine Spielecke gebe, erzählt der Präsident. Dort warte sein Sohn schon ganz neugierig auf die Könige. Vielleicht denkt Wulff, dass auch die Kinder, die aufgeregt vor ihm stehen, auf Papas Arbeit eine Spielecke haben.

Einen Ratschlag hat der Bundespräsident auch noch für die Sternsinger: "Wenn ihr Präsident werden wollt und nicht König bleiben, müsst ihr das Jahr so beginnen." Vielleicht wären weniger Worte mehr gewesen. Wulffs Satz "Wir alle sollen ja auch ein Segen sein und kein Fluch" wird besonders aufmerksam registriert. Die Zeiten, in denen Wulff als Segen für sein Land wahrgenommen wurde, sind nicht das Hier und Jetzt.

epd