Bundespräsident Christian Wulff hat die Bitte von "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann um die Zustimmung zur Veröffentlichung seiner Mailbox-Nachricht abgelehnt. "Die in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte waren ausschließlich für Sie und für sonst niemanden bestimmt", heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben Wulffs an Diekmann. Er habe sich kurz darauf entschuldigt und die Entschuldigung sei angenommen worden: "Damit war die Sache zwischen uns erledigt. Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben."
[listbox:title=Mehr im Netz[Der Brief der Bild-Zeitung an Christian Wulff]]
Diekmann hatte zuvor in einem offenen Schreiben an Wulff erklärt, er halte es für notwendig, den Wortlaut des umstrittenen Anrufs zu veröffentlichen, um Missverständnisse auszuräumen. Dies wolle die Zeitung aber nicht ohne Wulffs Zustimmung tun. Diekmann bat "im Sinne der von Ihnen angesprochenen Transparenz" um das Einverständnis.
Wulff schrieb, er sei erstaunt, dass Teile seiner Nachricht auf Diekmanns Mailbox nach dem klärenden Telefongespräch über andere Presseorgane den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hätten. Hier stellten sich grundsätzliche Fragen zur Vertraulichkeit von Telefonaten und Gesprächen. Die Medien hätten hier ihre eigene Verantwortung wahrzunehmen, erklärte Wulff.
Wulff hatte im gemeinsamen Fernsehinterview von ARD und ZDF gesagt, der Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Diekmann tue ihm leid, das sei ein "schwerer Fehler" gewesen. Er habe aber die Berichterstattung nicht verhindern wollen, sondern nur darum gebeten, sie um einen Tag zu verschieben, "damit man darüber reden kann, damit sie sachgemäß ausfallen kann". Dem hatte am Abend im Deutschlandfunk der stellvertretende "Bild"-Chef Nikolaus Blome widersprochen. "Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden", sagte er über die umstrittene Nachricht auf Diekmanns Mailbox.
Bei Presse und Bürgern hat Wulff nicht gewonnen
11,5 Millionen Zuschauer sahen am Mittwochabend das Fernsehinterview von Bundespräsident Christian Wulff bei ARD und ZDF, ein gemeinsamer Marktanteil von 33,9 Prozent. Die Reaktionen in der Presse fielen einmütig aus: "Das war nichts" (Spiegel), "Selbstdemontage" (Tagesschau), "Der erste Präsident, der sich selbst begnadigt" (Süddeutsche). Auch im Vergleich zu Margot Käßmann kam der "Wackelkandidat" schlecht weg (Publik-Forum). Die "Bild"-Zeitung drohte dem Noch-Präsidenten ganz unverhohlen in ihrer Print-Ausgabe: "Und die Affäre ist noch nicht zu Ende." Mit der nun geplanten Veröffentlichung der Mailbox-Ansage gibt die Boulevard-Zeitung dem Thema selbst neuen Schwung.
Nicht nur bei der Presse, sondern auch bei den Bürgern steht der Bundespräsident nach seinem Interview nicht besser da. Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend meinen nur noch 47 Prozent der Bevölkerung, dass Wulff im Amt bleiben kann. Damit verlor das Staatsoberhaupt seit Wochenbeginn kontinuierlich an Zustimmung. Dass Wulff ehrlich ist, glauben der Umfrage zufolge nur noch 22 Prozent der Deutschen.
Im Internet häufte sich die Häme und Satire. Wulff war nach wie vor das Hauptziel, aber auch ZDF-Hauptstadtstudioleiterin Bettina Schausten kam nicht ungeschoren davon. Ihr knappes "Ja" auf die Rückfrage des Bundespräsidenten, ob sie denn ihre Freunde für eine Übernachtung bezahle, sorgte im Netz für großes Hallo, von einer Facebook-Gruppe bis zur passenden Kreditkarten-Werbung.
Bischof Weber: "Unwürdige Situation"
Am Donnerstagvormittag veröffentlichten Wulffs Anwälte wie angekündigt eine zusammenfassende Stellungnahme zu Medienanfragen (Link zum PDF) an Christian Wulff, bei denen es in den vergangenen Wochen unter anderem um den Privatkredit sowie Urlaubsaufenthalte des Ehepaars Wulff bei befreundeten Unternehmern ging. Rechtsverstöße habe man nicht festgestellt, "Tatbestände der Vorteilsnahme oder Vorteilsgewährung haben sich nicht ergeben", hieß es. Zu dem Anruf bei Diekmann gaben die Anwälte keine Auskünfte und verwiesen auf die Erklärungen des Bundespräsidenten.
Der braunschweigische Landesbischof Friedrich Weber sagte der "Braunschweiger Zeitung" (Donnerstagsausgabe), der Bundespräsident sei künftig mit besonders hohen Ansprüchen konfrontiert. "Jetzt darf nichts mehr kommen", sagte er. Das Fernsehinterview kommentierte Weber mit den Worten: "Als Bürger geht es einem an den Nerv, so etwas sehen zu müssen. Mein erster Gedanke war: Was für ein Jammer, dass so ein Gespräch überhaupt nötig ist." Er habe die Situation als "unwürdig" empfunden. Der Landesbischof sagte aber auch, Wulff habe sich "jetzt zumindest ordentlich erklärt".