Das deutsche Rohstoff-Imperium bekommt eine neue Allianz

Das deutsche Rohstoff-Imperium bekommt eine neue Allianz
Bundesregierung und Konzerne versuchen den Hunger der deutschen Industrie auf Rohstoffe zu stillen - vor allem im Ausland, beispielsweise in Afrika und Iran. Ab 2012 will eine neue "Allianz zur Rohstoffsicherung" daran arbeiten, mehr Vorkommen für deutsche Firmen zu erschließen.
30.12.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Deutsche Konzerne fördern in 65 Ländern Rohstoffe aus der Erde. Trotzdem sei die Versorgungs-Situation "angespannt", warnt Volker Steinbach. Steinbach leitet die erst vor einem Jahr gegründete Deutsche Rohstoffagentur (DERA). Beistand erhält er von der staatlichen KfW-Bank. Sie stuft die zukünftige Lage bei mineralischen Rohstoffen, die unter anderem für vermeintliche Zukunftstechnologien wie das Elektroauto gebraucht werden, als "kritisch" oder sogar "sehr kritisch" ein.

Der kritische Mangel ist allerdings kein Ergebnis von Knappheit, sondern hat technische, wirtschaftliche und politische Gründe. In den neunziger Jahren ist weltweit wenig in den Bergbau investiert worden. Die Preise waren niedrig und das Angebot hoch, nicht zuletzt, weil die Sowjetunion auf ihre chronische Devisenknappheit mit einer Exportoffensive von Industrierohstoffen reagiert hatte. Inzwischen haben viele Länder den Wert ihrer heimischen Fundstellen selber erkannt; und starke Schwellenländer wie China und Indien treten mittlerweile sogar massiv als Großkäufer auf. Beide Trends treiben die Preise nach oben. Zudem sind einige wichtige Bestände in nur wenigen Ländern konzentriert. Schränken diese Länder den Export ein, wie es China kürzlich bei Seltenen Erden tat, werden die Stoffe auf dem Weltmarkt schnell knapp (und teurer). Auch, weil die durchrationalisierten Industriekonzerne heute keine Vorratshaltung mehr wie früher betreiben.

Chinas Seltene Erden - Weltmarktanteil derzeit über 95 Prozent - stecken in Katalysatoren, Handys und Plasmabildschirmen. Schwierigkeiten bereiten der deutschen Wirtschaft zudem private Quasi-Monopole wie im Eisenerzgeschäft, das drei Unternehmen dominieren: die australisch-britische BHP Billiton, die britische Rio Tinto und die brasilianische Vale. Diese Eisenerz-Troika schafft für Großabnehmer wie dem Stahlkocher Thyssen-Krupp oder Automobilhersteller wie Daimler und VW heikle Abhängigkeiten.

Über 1.000 Abbaustellen deutscher Konzerne weltweit

Ein Dutzend Großkonzerne in Deutschland ist angesichts dieser Lage dabei, sich mit Unterstützung des Kanzleramtes zu einer "Allianz zur Rohstoffsicherung" zusammenzuschließen. Ihr Ziel ist es, sich neue Rohstoffvorkommen zu sichern. Im Januar 2012 beginne die Gründungsphase der Allianz, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Geschäftsführer werde das bisherige Vorstandsmitglied von EON Energie, Dierk Paskert.

[listbox:title=Knappe Ressourcen[Blickt man auf den ökologischen Fußabdruck, übersteigt der Rohstoffverbrauch der Menschheit die Tragfähigkeit der Erde bereits heute um etwa 20 Prozent. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen warnt, dass die Menschheit bis 2050 mit einem prognostizierten jährlichen Verbrauch von 140 Milliarden Tonnen an Mineralien, Erzen, fossilen Brennstoffen und Biomasse mehr als doppelt so viel wie derzeit verbrauchen wird, wenn das Wirtschaftswachstum im selben Ausmaß wie bisher Ressourcen verschlingt.]]

Der Mittelstand fürchtet bereits, dass "der Rohstoffkampf dadurch noch härter wird". In Umfragen klagen 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland über hohe Rohstoffpreise. Allerdings sind deutsche Unternehmen nicht allein Abnehmer. Viele sind Produzenten, und so hat der deutsche Auslandsbergbau weit mehr Potenzial als allgemein angenommen wird. Und er wird von der Bundesregierung massiv gefördert.

Allein 2010 wurden Bürgschaften für Rohstoffprojekte im Ausland in Höhe von 1,6 Milliarden Euro übernommen. Ebenfalls seit 2010 gibt es eine "Rohstoffstrategie der Bundesregierung". Über eine staatliche Explorationsförderung, wie in den 1970er und 80er Jahren, wird in Berlin demnächst entschieden, außerdem sollen zweiseitige "Rohstoffpartnerschaften" mit Lieferländern abgeschlossen werden. Den ersten dieser Verträge unterzeichnete Kanzlerin Merkel (CDU) auf ihrer Reise in die Mongolei im Oktober.

"Der deutsche Auslandsbergbau ist heute breit aufgestellt", lautet das Fazit einer Studie der Rohstoffagentur Dera, einem Ableger der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Dera hat mehr als 80 deutsche Unternehmen und Privatinvestoren befragt, die im Auslandsbergbau tätig sind. Ihre Bilanz zeigt, dass es bereits ein weltweites deutsches Rohstoff-Netzwerk gibt: Es werden 40 verschiedene Rohstoffe in 65 Ländern und in 1.300 Abbaustellen gewonnen.

Regierung schafft politische Rahmenbedingungen im Ausland

Allerdings seien einige dringend benötigte Metalle "unterrepräsentiert". Nach wie vor dominiere die Gewinnung von Baurohstoffen, gefolgt von Industriemineralen und Torf, so die Dera-Analyse. Es folgen Energierohstoffe, Metallerzbergbau und die Förderung von Edelsteinen. Das Verhältnis ändert sich jedoch allmählich: "Das Interesse am Metallerzbergbau wächst langsam", so Harald Elsner, Autor der Studie.

Die Rohstoffagentur sieht die Bundesregierung mit ihren bilateralen Partnerschaften auf dem richtigen privatwirtschaftlichen Weg. Dera-Chef Steinbach: "Die Bundesregierung schafft hier die entsprechenden Rahmenbedingungen für zielgerichtete Kooperationen deutscher und einheimischer Partnerunternehmen." Seit kurzem gewinnen deutsche Firmen neben Chromerz in Südafrika, Kupfer in Armenien und Gold in Australien nun auch Eisenerz im politischen Krisenland Iran.


Hermannus Pfeiffer ist freier Autor für Wirtschaftsthemen in Hamburg.