Anfangs sah Deutschland etwas zerknittert aus. Mit deutlich sichtbaren Falten hing die deutsche Fahne vor dem UN-Sicherheitsrat in New York, während die 14 anderen ordentlich gebügelt glänzten. Das war Sache der UN-Verwaltung. Wie sehr Deutschland während seiner zwei Jahre im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen selbst glänzt, liegt an den Deutschen selbst.
Die Bilanz der Anderen: Die anerkannt fleißigen Deutschen fallen mit Uneigennützigkeit auf - eigene Akzente werden aber vermisst. Und das große Ziel der deutschen Diplomatie, ein ständiger Sitz im wichtigsten UN-Gremium, bleibt in weiter Ferne.
"Ein so mächtiger Rat wie lange nicht mehr"
Politik wird im Sicherheitsrat vor allem von den fünf ständigen Mitgliedern gemacht. Die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich können mit ihrem Veto alles blockieren. So haben Russen und Chinesen jede auch nur leise Kritik an ihrem Waffenkunden Syrien im Keim erstickt. Und Washington will die UN-Mitgliedschaft der Palästinenser verhindern, wenn die nicht vorher mit Israel Frieden schließen. Beide Konflikte - die Umbrüche in der arabischen Welt und der Nahe Osten - haben in diesem Jahr die UN geprägt.
Aber im Rat sitzen auch zehn Mitglieder, von denen die Hälfte jedes Jahr ausgewechselt wird. Im Herbst 2010 hatte Deutschland in der Vollversammlung, quasi dem Parlament der heute 193 UN-Mitglieder, beim ersten Wahlgang die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen. Denn die Deutschen gelten als verlässlich, sachlich und - im diplomatischen Vergleich - wenig egoistisch. Und es sollte ein Test sein: Schließlich waren in diesem Jahr auch noch Brasilien, Indien und Südafrika dabei - alles Länder, die auf einen ständigen Sitz dringen.
"Durch diese Zusammensetzung hatten wir einen so mächtigen Rat wie schon lange nicht mehr", sagt Nawaf Salam. Libanons UN-Botschafter, dessen zwei Jahre im Rat gerade enden, lobt die Deutschen als "immer sehr präsent, immer sehr effizient". "Es ist so wichtig, dass Deutschland sein Gewicht in Europa einbringt. Und das wollen wir auch im Sicherheitsrat haben. Aber ich bin da leider sehr pessimistisch."
Keine eigenen Ansätze, kein Argument für einen ständigen Sitz
Zwar zweifelt niemand daran, dass die Machtverhältnisse der 1945 gegründeten UN nichts mit dem 21. Jahrhundert zu tun haben. "Aber die größten Hürden sind die Staaten, die per Veto alles verhindern können", sagt Salam. "Das ist das Bohren eines ganz dicken Brettes", räumt auch Berlins Botschafter Peter Wittig ein. Und im Gegensatz zu Indien und Brasilien hat Deutschland noch ein anderes Problem: Mit Frankreich und Großbritannien sitzen bereits zwei Europäer in dem Gremium, dass viele schon jetzt für zu europäisch halten.
"Ihr müsst euch schon etwas besonderes einfallen lassen, um alle von eurem Anspruch zu überzeugen", sagt ein südasiatischer Diplomat. Öffentlich lobt jeder, dass Berlin, der drittgrößte UN-Beitragszahler, bei der Entwicklungshilfe ganz vorn dabei ist und nicht zuletzt Tausende Beamte, Polizisten und Soldaten für die Vereinten Nationen stellt. Hinter den Kulissen sind die Worte deutlicher: "Indien hat mehr als eine Milliarde Einwohner und eine kräftig wachsende Wirtschaft. Aber was habt Ihr zu bieten, was nicht längst im Rat ist?"
"Deutschland verfolgt aus guten Gründen einen grundsätzlich kooperativen Ansatz in der Außenpolitik", sagt Wittig. "Wir wollen multilaterale Problemlösungen, weil die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts von keinem Land und keiner Regierung allein bewältigt werden können." Bei den Insidern stößt das auf Anerkennung: "Genau deshalb respektiert jeder die Deutschen", sagt ein US-Journalist. "Aber wo bleiben die eigenen Ansätze? Es gibt kein gutes Argument gegen die Deutschen im Sicherheitsrat. Aber derzeit auch keines für sie, weil es für viele 'nur noch ein Europäer' ist."
Lob von Amnesty International für Deutschland
Das sieht Wittig anders: "Wir haben durchaus Akzente gesetzt, etwa in der Klimapolitik oder beim Schutz von Kindern in Konflikten. Und mit Afghanistan wurde uns als einzigem nichtständigen Mitglied die Federführung für ein Regionaldossier übertragen." Lob kommt dafür von Amnesty International: "Gerade beim Schutz der Kinder war Deutschland die treibende Kraft", sagt José Luis Díaz, UN-Experte der Menschenrechtsorganisation. Die Resolution habe wirklich geholfen.
"Wir sind Deutschland aber besonders dankbar, dass es Syrien immer wieder auf die Tagesordnung setzt", sagt Díaz. "Gerade gegenüber anderen Staaten, die offenbar lieber die Militärs schützen" - ein Seitenhieb auf Russland und China. "Und wichtig ist, dass Deutschland immer wieder betont, dass die Schuldigen vor Gericht müssen." Deshalb werde die deutsche Arbeit respektiert und geschätzt.
Doch für Irritation hatte Berlin gesorgt, als es dem Einsatz gegen Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi nicht zustimmte und plötzlich nicht neben London und Paris, sondern an der Seite Moskaus und Pekings stand. "Das wurde hier als Ausdruck einer souveränen deutschen Entscheidungen akzeptiert", meint Wittig. Und bei aller Kritik gab es auch Zustimmung: "Über die Entscheidung mag man streiten", sagt ein Insider. "Aber das war das einzige Mal, dass wirklich alle gesagt haben: 'Hey, da sind ja noch die Deutschen!'"