Filmkritik der Woche: "Sherlock Holmes - Spiel im Schatten"

Filmkritik der Woche: "Sherlock Holmes - Spiel im Schatten"
Launiges Blockbuster-Kino: "Sherlock Holmes - Spiel im Schatten": Mit seinem ersten Sherlock-Holmes-Film aktualisierte der britische Regisseur Guy Ritchie erfolgreich den Mythos des wohl bekanntesten Detektivs der Welt. Auch die Fortsetzung wirkt wie ein gigantischer Abenteuerspielplatz.
21.12.2011
Von Frank Schnelle

Einmal verkleidet sich Sherlock Holmes als Frau, um unerkannt in einen Zug zu gelangen. Die Maskerade im Film "Sherlock Holmes - Spiel im Schatten" ist nicht sonderlich überzeugend, erfüllt aber ihren Zweck. Ein paar Balgereien, Schusswechsel und halsbrecherische Stunts später ist das Kostüm allerdings mächtig derangiert und das Make-up komplett verwischt.

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Holmes sieht, wie bei jeder seiner karnevalistischen Eskapaden, zum Schreien aus - aber mischt sich da nicht etwas Beunruhigendes in den lustvoll-lächerlichen Anblick? Ähnelt er, mit dem weiß getünchten Gesicht, in das verschmierter Lippenstift einen grotesken Grinsemund gezaubert hat, nicht gar dem Joker aus "The Dark Knight"? Ganz von der Hand zu weisen ist die Assoziation nicht, denn dieser Holmes (Robert Downey Jr.) hat zweifelsohne eine dunkle Seite, etwas Skrupellos-Manisches, vielleicht auch "Psychotisches", wie sein Partner Watson (Jude Law) es nennt.

Seine Pläne verfolgt Holmes mit rücksichtsloser Beharrlichkeit, er setzt permanent sein Leben auf Spiel, nimmt die Schläge des Schicksals - und die seiner Gegner - mit masochistischer Befriedigung hin, und wenn ihm nach trauter Zweisamkeit mit dem widerspenstigen Watson ist, beendet er dessen Hochzeitsreise, indem er die Braut kurzerhand aus dem fahrenden Zug wirft. Man sollte sich in Acht nehmen vor diesem genialen, hyperaktiven Anarchisten, weil er zu allem fähig ist, im Guten wie im Bösen.

Die "Batman"-Referenz erfüllt noch einen weiteren Zweck, indem sie beiläufig unterstreicht, dass Arthur Conan Doyles Detektiv nun vollends im Reich des Comic-Blockbusters angekommen ist. Als Guy Ritchie vor zwei Jahren zum ersten Mal einen Ausflug ins viktorianische Zeitalter unternahm, lud er den historischen Stoff bereits kräftig mit modernen Elementen auf. Das Sequel nun inszeniert er vollends, als hätten sich Marvel und Matrix zusammengetan, um einen bombastischen Abenteuerspielplatz zu designen.

Wer nach einer Story fragt, ist selbst schuld

Ritchie zerlegt Häuser, indem er sie in die Luft jagt, und Bilder, indem er sie in rasanten Stakkato-Montagen zu kürzesten Schnipseln verarbeitet. Es gibt Martial-Arts-Kämpfe in Zeitlupe und Zeitraffer, Schießereien mit zunehmend größeren Kalibern, Pyrotechnik allenthalben und am Schluss eine Verfolgungsjagd, die das Tempo effektvoll auf Einzelbildschaltung reduziert.

Wer da nach einer Story fragt, ist eigentlich selbst schuld, denn die fortsetzungsgeeignete Europareise der beiden Super-Ermittler ist ein kaum verhohlener Vorwand für Schlagabtäusche aller Art, wobei die Scharmützel zwischen Holmes und Watson, die einander in inniger Hassliebe verbunden sind, durchaus Charme besitzen.

Wenn Holmes irgendwann seiner Nemesis gegenüber tritt, dem legendären Professor Moriarty (Jared Harris), der in zwei Romanen den ebenbürtigen Antagonisten gab, erinnert das weniger an Doyle als an Fleming: Der Oberschurke will einen Weltkrieg provozieren, um als Waffenhändler ganz groß abzusahnen - was Holmes dann auch noch zum viktorianischen Bond macht, zum britischen Retter eines nervösen Krisenkontinents, der jeden Moment zu explodieren droht. Pure Fantasy eben.

Regie: Guy Ritchie. Buch: Michele und Kieran Mulroney. Mit: Robert Downey Jr., Jude Law, Noomi Rapace, Jared Harris, Stephen Fry. 136 Min. FSK: ab 12.

epd