Aus dem Zug in den Advent: Ankommen am Hauptbahnhof

Aus dem Zug in den Advent: Ankommen am Hauptbahnhof
Hetzen, eilen, rennen, immer auf dem Weg zum nächsten Ziel: Der Frankfurter Hauptbahnhof ist ein Ort der Hast und Eile, ein Ort der Durchreise. 350.000 Fahrgäste steigen hier täglich aus und ein. Doch die Bahnhofsmission zeigt zum Advent: Hier kann man auch ankommen.

In den vergangenen Wochen werden an unterschiedlichen Ecken im Frankfurter Hauptbahnhof Passanten angehalten, stehenzubleiben und in sich zu gehen. So hält eine ganz besondere Krippe in der B-Ebene Reisende auf. Die "Dialogkrippe" wurde von der Frankfurter Bahnhofsmission mitten in der Passage aufgebaut. Die Idee der "Dialogkrippe" entstand bereits vor zwölf Jahren und geht auf den polnischen Priester und Professor Witold Broniewski zurück.

Diese Krippen werden von Schülern des Kenar-Lyzeums in Zakopane, Polen, geschnitzt und in öffentlichen Räumen wie Bahnhöfen oder Flughäfen aufgestellt. Die Dialogkrippe in Frankfurt "soll die Weihnachtsbotschaft zu den Menschen bringen", so Sigrid Bender, Leiterin der Bahnhofsmission. Für sie haben die Dialogkrippen vor allem "die Funktion, die Leute aufmerksam zu machen. Die Krippenfiguren sind sperrig und stellen sich in den Weg der Menschen und regen zum Innehalten und zur Besinnung an."

Was macht Edith Stein in der Krippe?

So mancher Passant wird im Vorbeigehen stutzig, denn eigentlich gibt es drei Figuren zu viel. Papst Johannes Paul II., Edith Stein und Thomas Morus haben sich zu Maria und Josef, den Hirten und den Heiligen Drei Königen dazu gesellt. Das liegt daran, dass jede Krippe unter einem eigenen Motto steht. In Frankfurt heißt das dieses Jahr "Betlehem und Europa". Herausragende Persönlichkeiten, die die europäische Geschichte und das Christentum geprägt haben, sind deshalb Teil der Dialogkrippe. Broniewski sagt dazu: "Christus hat Europa mit dem beschenkt, was in diesem Erdteil das Wertvollste darstellt: mit Menschen, die das Evangelium lieben, ja, mit Heiligen." Und weiter: "Wer Geradlinigkeit, Selbstlosigkeit, Hochherzigkeit und Liebe entdecken möchte, findet diese nirgends so treffsicher wie in den Haltungen der Heiligen."

Gleich neben der Krippe steht ein "Weihnachtswunschbaum" (Bild links, Foto: Franziska Fink). Wie schon in vergangenen Jahren, kann jeder, der möchte, hier seine Anliegen auf Anhänger schreiben und aufhängen. Die Aktion kommt an: Nicht nur in Deutsch, auch in vielen anderen Sprachen wie Englisch, Niederländisch, und Koreanisch niedergeschriebene Wünsche schmücken den Baum.

Viele wünschen sich Frieden oder Gesundheit für ihre Familie. Manche wünschen sich mehr Zeit oder auch einfach mehr Geld. Mehrmals am Tag kommen die Mitarbeiter der Bahnhofsmission, um am vollbehängten Baum wieder Platz zu machen für neue Wünsche. Alle Anhänger werden aufgehoben, denn "für den Weihnachtsgottesdienst werden die Wünsche und Gebete in die Fürbitten eingearbeitet", erklärt Bender.

Weihnachtsgottesdienst an Gleis 4

Auch das gibt es, einen ökumenischen Weihnachtsgottesdienst am 24. Dezember, mittags um 12.30 Uhr. Der Gottesdienst findet mitten in der Bahnhofshalle auf Höhe der Gleise 4/5 statt. Dabei richtet er sich aber nicht nur an Reisende, die zufällig vorbeikommen, weiß Bender. "Viele finden die Atmosphäre gerade am Heiligabend im Bahnhof gut. Da kommen auch Leute gezielt, die vielleicht sonst keine Anbindung an eine Kirchengemeinde haben. Die kommen dann ganz bewusst, weil sie wissen, dass das sehr schön ist und etwas Besonders." Letztes Jahr haben fast 100 Menschen am Weihnachtsgottesdienst teilgenommen.

Danach lädt die Bahnhofsmission immer zu einem Weihnachtskaffee ein. Auch abends gibt es dann noch ein kleines Weihnachtsprogramm für die Leute, die niemanden mehr haben, für Obdachlose und sozial Bedürftige, für alle, die im und am Bahnhof leben. Das gemütliche Beisammensein und weihnachtliche Singen findet allerdings nur in einem Raum der Bahnhofsmission statt, denn es gibt auch Leute, denen die Adventszeit schwer fällt. "Manche halten das auch gar nicht aus, manchen wird das einfach zu eng und zu besinnlich und ihre eigene Not wird ihnen in dieser Zeit noch deutlicher" erläutert die Leiterin der Bahnhofsmission die Problematik.

Angekommen!?

Trotzdem ist es der Bahnhofsmission wichtig, gerade an einem Ort der Eile und der Hast in der Adventszeit den Grundgedanken des "Ankommens" und der "Ankunft" zu vermitteln.

Aus dieser Idee entstand auch der besondere Adventskalender (Bild links, Foto: Franziska Fink), der gegenüber von Gleis 10/11 steht und dieses Jahr neu dazugekommen ist.

An jedem Tag im Advent liegt hinter dem entsprechenden Türchen ein kurzer Text zum Thema Advent und Ankommen bereit. Rund 30 Leute aus Kirche und Gesellschaft hatte die Bahnhofsmission angeschrieben und um persönliche Texte zum Thema gebeten. Die Resonanz war sehr gut und die Idee traf auf breite Unterstützung, so dass schnell 24 Texte, Gedichte und Geschichten zusammenkamen: Henning Fangauf, Stellvertretender Leiter des Kinder- und Jugendtheaterzentrums in Deutschland, erinnert sich an die Kindheit und Weihnachtstheater. Bettina Janotta, Leiterin des Kirchlichen Sozialdienstes am Flughafen, hat eine Gedicht über "Zwischenlandungen" geschrieben und Petra Roth, Oberbürgermeisterin von Frankfurt, wünscht sich eine neue Kultur des Schenkens.

Besonders in der Weihnachtszeit hat die Bahnhofsmission viel zu tun. Das Reiseaufkommen ist erhöht, die Menschen sind gestresster, viele sind auf der Suche nach Rat und Trost. Mit 80 Mitarbeitern ist die Frankfurter Bahnhofsmission die größte Deutschlands.

Bild links: Mitarbeiter der Frankfurter Bahnhofsmission. Von links: Jörg Endress, Ursula Engel, Sigrid Bender, Touria Cech. Foto: Franziska Fink

Unter dem Motto "Menschlichkeit am Zug" hilft die Bahnhofsmission rund 200 Menschen täglich, beim Umsteigen von Reisenden, insbesondere älteren Menschen, alleinreisenden Kindern oder Menschen mit Behinderung. Sie ist aber auch Anlaufstelle für Sozialfälle, die Unterstützung bei allen möglichen Problemen suchen.

"Die Arbeit gibt uns viel zurück. Wir bekommen immer wieder positive Rückmeldungen, viele sind dankbar, dass wir sie begleiten im Bahnhof, dass wir helfen oder auch manche Probleme sehen und weitervermitteln können." Auch an der Spendenbereitschaft sehen die Mitarbeiter der Bahnhofsmission, das ihre Arbeit geschätzt wird. "Vorhin war zum Beispiel eine ganze Schulklasse da, die Plätzchen gebacken hat für unsere Gäste an Heiligabend," freut sich Bender.


Franziska Fink arbeitet als freie Journalistin bei evangelisch.de.