Der Stuttgarter evangelische Pfarrer Johannes Bräuchle (64), der Gegnern des Bahnprojekts "Stuttgart 21" Nazi-Methoden unterstellt haben soll, darf wieder arbeiten. Der Oberkirchenrat der württembergischen Kirche hob die Mitte November verfügte vorläufige Suspendierung auf, wie ein Sprecher der Landeskirche dem epd am Samstag bestätigte. Das kirchliche Disziplinarverfahren laufe jedoch bis zur Klärung der Angelegenheiten weiter. Anlass der Vorwürfe war ein Auftritt Bräuchles in Wertheim (Main-Tauber-Kreis).
Einem Zeitungsbericht zufolge soll Bräuchle Gegnern des Bahnprojekts "SA-Methoden" vorgehalten und das Gesetz zur Volksabstimmung als "Ermächtigungsgesetz" bezeichnet haben. In einer persönlichen Erklärung, die dem epd vorliegt, schreibt Bräuchle, die zitierte Aussage "habe ich so nicht getätigt". Er spricht von einer Fehlinterpretation. Von einem direkten Vergleich könne keine Rede sein. Bräuchle hatte als CDU-Stadtrat von 1999 bis 2005 "Stuttgart 21" mit auf den Weg gebracht und gilt als vehementer Verfechter des Projekts.
Staatsanwaltschaft: Bräuchles Äußerungen fallen unter Meinungsfreiheit
Aufgrund des Zeitungsartikels hatten mehrere Bürger Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Mosbach lehnte die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens wegen Volksverhetzung jedoch ab. Bräuchles Äußerungen seien nicht als Beleidigung strafbar, sondern durch das Recht auf Meinungsfreiheit im Grundgesetz geschützt, erklärte die Justizbehörde. Auch eine Schmähkritik sei nicht zu erblicken.
Bräuchle arbeitet beim Amt für Missionarische Dienste. Nach seinen Angaben teilte ihm der Oberkirchenrat nun in einem Brief mit, dass die Suspendierung mit sofortiger Wirkung aufgehoben sei. Zur Begründung sei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft genannt worden. Zudem habe die Volksabstimmung zu "Stuttgart 21" die Situation verändert und befriedet. Bräuchle sagte dem epd, bis heute könne er zu dem Vortrag in Wertheim stehen. Auch nach der Suspendierung liebe er seine Kirche. Seine kirchliche Loyalität sei in keinster Weise geschmälert.