Es ist Montagmorgen kurz nach sechs Uhr im Kalibergwerk, in 535 Metern Tiefe. Für die Bergleute bei Kali+Salz in Neuhof im südlichen Kreis Fulda ist das Alltag, denn sie arbeiten tagtäglich im Schichtbetrieb unter Tage. Doch für 130 geladene Gäste aus Kirche, Politik, Wirtschaft und dem öffentlichen Leben ist es in jedem Jahr wieder aufs Neue etwas Besonderes: die untertägige Barbarafeier im Bergwerk. Die Heilige Barbara ist die Schutzpatronin der Bergleute, seit 58 Jahren pflegen die Kumpel in Neuhof diese Tradition und feiern eine ökumenische Andacht um sie zu ehren und ihren Schutz für die gefährliche Arbeit zu erbitten.
Fürbitten im Bergwerk: Bischof Martin Hein, Pfarrerin Annika Wölfel und Pfarrer Bernhard Axt.
Barbara soll im dritten Jahrhundert gelebt haben. Der Legende nach war sie eine schöne und kluge Frau, die sich gegen den Willen ihres Vaters zum Christentum bekannte. Auf der Flucht vor ihm sollen sich der Heiligen die Felsen geöffnet und ihr Unterschlupf geboten haben. So entstand die Verbindung zum Bergbau. Bundesweit gedenken Bergleute am 4. Dezember ihrer Schutzpatronin.
"O woll uns, Herr, getreu bewahren"
Ausgestattet mit Kittel, Helm, Grubenlampe und Atemschutzmaske fahren Kumpel und Gäste am Morgen pünktlich zur Frühschicht vom Schacht II in das Bergwerk ein. Etwas weniger als 60 Sekunden dauert die Fahrt -der Korb auf zwei Etagen fährt zehn Meter pro Sekunde. Von Salzdecken- und -wänden umgeben feiert das Werk Neuhof-Ellers in diesem Jahr wegen des Sonntags mit einem Tag verspätet die Barbara-Andacht. Gestaltet wird sie traditionell von den Ortsgeistlichen der Kaligemeinde Neuhof: der evangelischen Pfarrerin Annika Wölfel und ihrem katholischen Amtsbruder Pfarrer Bernhard Axt. Unter den Gästen befindet sich auch der Bischof der evangelischen Landeskirche von Kurhessen und Waldeck Professor Dr. Martin Hein aus Kassel, der die beiden Theologen bei den Fürbitten unterstützt.
Figur der heiligen Barbara im Kalibergwerk in Neuhof
Wie wichtig den Bergleuten Tradition und der Glauben sind, zeigen feste Rituale beim Ablauf der gut 45-minütigen Andacht. Und so begann Pfarrerin Wölfel die Feier mit dem Schichtspruch: "Wir richten, eh wir niederfahren, den Blick empor, o Gott zu dir: O woll uns, Herr, getreu bewahren, sei unser Hüter für und für! Schließ auf den Stollen deiner Liebe, den reichsten Schacht, in dem wir baun, schirm uns vor Ort und im Getriebe – lass fromm und treu uns dir vertraun."
Von innen leuchten - wie Barbara
"Seid heilig, denn ich bin heilig! – ein Wort Gottes mit starkem Inhalt", sagt Pfarrer Axt in seiner Predigt, die sich auf den 1. Petrusbrief 1,13-16 bezieht. "Aber wie passt dieses Gotteswort zu der Welt der Bergleute, zu dem Takt der täglichen Arbeit, zum Dröhnen von Motoren, zum Geräusch von Förderbändern, zu den Computern in modernen Büros?" Auf diese Fragen versucht der Geistliche eine Antwort zu finden und verdeutlicht, was der Begriff "Heilig" im Sinne der Bibel wirklich bedeute.
In seinen Schlussworten kommt Pfarrer Axt zu dem Fazit, dass das Wort Gottes auf Barbara "abgefärbt" habe. Sein Aufruf: "Du bist dazu berufen, ein Fenster zu sein, das von innen erleuchtet ist. Und du sollst danach streben – wie Sankt Barbara – Versprochenes zu halten." Am Schluss lässt die Bergmannskapelle Neuhof die Herzen der Kumpel noch einmal höher schlagen - mit dem berühmten Bergmannslied "Glückauf, Glückauf, der Steiger kommt".
Christian P. Stadtfeld arbeitet als freier Journalist in Osthessen. Seine Themenschwerpunkte sind Politik, Wirtschaft, Kirche und Gesundheit.