"Augen der Revolution" im Visier des Assad-Regimes

"Augen der Revolution" im Visier des Assad-Regimes
Sie nennen sich die "Augen der Revolution" und riskieren selbst für verwackelte Aufnahmen ihr Leben. Die Amateur-Kameraleute halten fest, was das syrische Regime gern verbergen würde.
30.11.2011
Von Weedah Hamzah

Emir und Marwan sind zwei junge Syrer auf der Flucht. Die beiden haben Angst, ihre richtigen Namen zu nennen oder fotografiert zu werden. Denn die beiden Amateur-Kameraleute beliefern die Welt seit Monaten trotz aller Verbote und Todesdrohungen mit Aufnahmen, die Gewalt und Terror des syrischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung belegen sollen. Für diese verwackelten Bilder riskieren sie ihr Leben.

Zuerst filmten die "Augen der Revolution" mit den Kameras ihrer Mobiltelefone. Um die Qualität der Videos zu verbessern, investierten die Amateurfilmer in kleine Camcorder. Die Videos laden sie beispielsweise auf Oppositionsseiten wie "The Syrian Revolution 2011" oder "Ugarit News" im sozialen Netzwerk Facebook hoch.

Live-Aufnahmen zeigen nach den Worten der jungen Männer beispielsweise, wie Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf Demonstranten schießen oder Scharfschützen, die sich auf Dächern verschanzen. Damit hat sich die Gruppe die Wut des Regimes zugezogen, denn in den staatlich kontrollierten Medien heißt es immer nur, die Situation sei "ruhig und unter Kontrolle."

Wer entdeckt wird muss fliehen

Sein Bruder sei im August getötet worden, als er eine Demonstration in Homs mit seinem Handy gefilmt habe, erzählt Marwan am Telefon. Er selbst habe aus seiner Heimatstadt flüchten müssen, weil ihm die Sicherheitskräfte auf den Fersen gewesen seien.

Das Internet ist voll von vermutlich aus Syrien stammenden Foltervideos. Die mit Mobiltelefonen gefilmten Clips sollen der Welt zeigen, was die Regierung zu verbergen versucht, indem sie Journalisten den Zugang verwehrt. Um zu beweisen, dass die Videos echt sind, tragen Demonstranten Schilder mit dem Namen des Ortes, wo sie protestieren, sowie dem Datum.

Der Amateur-Kameramann Emir sagt, er habe großes Glück gehabt, aus Syrien zu entkommen, nachdem das Regime seine Identität herausgefunden habe. "Das Regime dachte, es könne all diese unschuldigen Menschen töten, die Freiheit wollen, und dann wie früher damit durchkommen, indem sie Tatsachen vertuschen. Sie dachten, sie kontrollieren alle Medien in Syrien." Emir ist aus seiner Heimatstadt Homs geflüchtet und versteckt sich wie viele syrische Regimegegner in der libanesischen Hauptstadt Beirut.

Amateur-Filmer sind Zielscheibe des Regimes

Die Bedingungen für die Kameramänner sind denkbar schwierig. Die Filmer müssten unter völliger Geheimhaltung arbeiten, sagt Emir. Ständig hielten sie Ausschau nach den Schlägertruppen Assads. Die Ausrüstung verstecken die jungen Männer an den unmöglichsten Orten vor den Augen der Sicherheitskräfte. "Einmal habe ich meine Kamera unter dem schlafenden Esel meines Großvaters versteckt", sagt Emir.

Die Amateur-Filmer sind inzwischen zu einer Zielscheibe des Regimes geworden. "Sie schicken verdeckte Ermittler zu den Demonstration und dann jagen und töten sie uns, so wie sie es mit unserem Kollegen Fersat Dschubran getan haben", sagt Emir. Der Journalist und Fotograf sei Mitte November in al-Kasir nahe Homs von Sicherheitskräften in Zivil festgenommen worden, als er eine Demonstration gefilmt habe, sagt Emir. Kurze Zeit später habe man die verstümmelte Leiche auf einer Straße nahe der Stadt gefunden - mit ausgestochenen Augen.

"Diese Tat zeigt, wie weit das Regime geht, um freie Menschen zu unterdrücken und all jene zum Schweigen zu bringen, die ihre Stimme gegen sie erheben", sagt Emir. Das Blut der Opfer werde nicht ungesühnt bleiben, schwört er. Er will wieder zurück nach Syrien und weiterhin die Verbrechen dokumentieren.

dpa