Papst sorgt für Streit in religionskritischer Stiftung

Papst sorgt für Streit in religionskritischer Stiftung
Je stärker die Kirchen ihre öffentliche Rolle wahrnehmen, desto vernehmlicher melden sich auch die Atheisten zu Wort. Die Giordano-Bruno-Stiftung sieht sich als Speerspitze des Säkularismus in Deutschland. Doch ihre scharfe Kirchenkritik kommt nicht immer gut an. Wegen der Angriffe auf Papst Benedikt XVI. sieht sich nun der renommierte Sozialphilosoph Norbert Hoerster veranlasst, aus dem Stiftungsbeirat auszutreten.
29.11.2011
Von Andreas Fincke

Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), 2004 in Mastershausen im Hunsrück von dem Unternehmer und Mäzen Herbert Steffen gegründet, muss derzeit als die einflussreichste atheistische Initiative in Deutschland bezeichnet werden. Innerhalb weniger Jahre hat die "Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung", so die Eigendarstellung, mit geschickter Öffentlichkeitsarbeit, aber auch mit derber, antikirchlicher Polemik auf sich aufmerksam gemacht.

Ihr Sprecher Michael Schmidt-Salomon wird von den Medien gern als "Deutschlands Chef-Atheist" bezeichnet. Er geht keinem Streit um Religion und Kirche aus dem Weg. Dass er bisweilen auch mit verächtlicher Polemik auf sich aufmerksam macht und nicht eben zimperlich ist, bewies er zum Beispiel in einem Interview, als er erklärte, dem Christentum komme unter allen Religionen die Sonderstellung als "dümmste Religion" zu.

"Gehört vor internationales Gericht"

Zuletzt hatte die Stiftung als Mitveranstalterin einer Anti-Papst-Demonstration von sich Reden gemacht. Als das katholische Kirchenoberhaupt vor dem Deutschen Bundestag sprach, wurden Flugblätter verteilt, auf denen unter anderem die Beobachtung der Kirche durch den Verfassungsschutz angeregt wird. Ferner heißt es, Benedikt XVI. "gehöre nicht in den Bundestag, sondern vor ein internationales Gericht". Schließlich sei der Papst "ein Mann, der Abermillionen von Menschen weltweit zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit Todesfolge anstiftet".

Nicht ohne Grund finden diese kruden Theorien in der Öffentlichkeit nur wenig Beachtung. Dennoch hat die Stiftung in den vergangenen Jahren die Zahl ihrer Fördermitglieder auf einige tausend erhöhen können -  und immer wieder namhafte Persönlichkeiten in ihren Beirat geholt. So hat etwa Ingrid Matthäus-Maier, viele Jahre stellvertretende Chefin der SPD-Bundestagsfraktion, ihre Mitarbeit erklärt. Schon länger gehören dem Gremium Wissenschaftler wie der Philosoph Hans Albert, der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera sowie der Neurophysiologe und Hirnforscher Wolf Singer an. Erst vor wenigen Tagen hat der deutscharabische Islam- und Nahostexperte Hamed Abdel-Samad seine Mitarbeit erklärt.

Aus dem Beirat der Stiftung ausgetreten ist hingegen Norbert Hoerster, einer der wichtigsten Recht- und Sozialphilosophen unserer Zeit. In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) begründete Hoerster am vergangenen Wochenende seinen Schritt mit inhaltlichen Differenzen. So kritisiert Hoerster Stiftungssprecher Schmidt-Salomon und dessen Verständnis von Aufklärung und Religionskritik. Zwar sei er, Hoerster, kein Verehrer des Papstes - aber er empfinde die Pauschalkritik am Oberhaupt der Katholiken als unangemessen.

Hoerster verweist auf den Katechismus

Als "geradezu abwegig" bezeichnet Hoerster die bereits zitierte Unterstellung, der Papst sei "ein Mann, der Abermillionen von Menschen weltweit zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit Todesfolge anstiftet". Hoerster verweist auf den Katechismus der katholischen Kirche, welcher ausschließlich den Geschlechtsverkehr innerhalb der Ehe zulässt – und dieser führt üblicherweise nicht zu Millionen Toten. Auch der von der Stiftung propagierte "Neue Atheismus" des Biologen Richard Dawkins überzeugt ihn nicht. Hoerster schreibt: "Ich sehe nicht, wieso ausgerechnet die Evolutionstheorie den Gottesglauben widerlegen, ja ersetzen kann."

Inzwischen hat der Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung mit Bedauern auf den Austritt Norbert Hoersters aus dem Stiftungsbeirat reagiert. Dass dieserseine Meinung in der FAZ öffentlich gemacht hat, bezeichnete der Schmidt-Salomon in einer Erklärung als "einigermaßen befremdlich".

Nun fragt man sich schon, was daran befremdlich sein könnte, wenn ein Wissenschaftler seine Meinung in einer angesehenen Tageszeitung veröffentlicht - und erfährt weiter: "Immerhin hat die Frankfurter Allgemeine in den letzten Jahren gesellschaftlich hochrelevante Pressemitteilungen der gbs vollständig ignoriert. Kaum aber bietet sich die Gelegenheit, das Image der Stiftung zu beschädigen (…), ist die FAZ zur Stelle." So viel Medienschelte ist immer abwegig. Wichtiger wäre, sich den Argumenten zu stellen. So ganz aufklärungsresistent kann doch eine "Denkfabrik für Aufklärung" nicht sein.


Dr. Andreas Fincke lebt als Theologe und Publizist in Berlin.