Organspende? Wir brauchen mehr als eine Worthülse!

Organspende? Wir brauchen mehr als eine Worthülse!
Die Politiker haben sich in Sachen Organspende geeinigt - endlich, die Entscheidungslösung kommt. Was aber wird sie ändern? Nicht viel. Denn dass die Menschen sich nicht zur Organspende bekennen, liegt nicht nur daran, dass sie selbst handeln mussten, um zum Spender zu werden. Es liegt auch an den Ängsten, mit denen das Thema behaftet ist. Daran ändert auch eine politische Entscheidung nichts.
24.11.2011
Von Maike Freund

Jetzt kommt also die Entscheidungslösung. Heißt konkret: Ob jemand Organspender werden möchte, entscheidet er nicht mehr aus Eigeninitiative heraus. In Zukunft wird jeder von den Krankenkassen aufgefordert, sich zum Thema zu äußern. Was das bringt? Vermutlich nicht viel. Denn der springende Punkt ist ein anderer. 

Umfragen haben ergeben, dass zwar grundsätzlich viele Menschen breit sind, nach ihrem Tod Organe zu spenden, sie haben jedoch keinen Ausweis ausgefüllt. Bleibt die Frage: Ändert sich das, nur weil man nun dazu aufgefordert wird? Das würde ja bedeuten, wir Menschen sind einfach nur zu faul, um uns einen Organspendeausweis zu besorgen. Könnte im ein oder anderen Fall tatsächlich so sein. Das scheint aber doch ein wenig zu einfach. Also ist es Zeit, nach dem Grund zu fragen. 

Und der liegt bei einem Thema, das eng an die Organspende geknüpft ist - dem Sterben. Der Tod macht von sich aus Angst, liegt im Alltag als Thema niemals ganz oben auf und man schiebt ihn lieber weg oder vertagt die Auseinandersetzung auf später – vor allem dann, wenn es konkret wird. Und was kann schon konkreter sein, als die Frage, ob ich Herz, Leber oder Nieren im Falle meines (Hirn-)Todes spenden möchte?

Das Thema ist in der öffentlichen Diskussion

Und dann ist da noch diese Unsicherheit und dieses beklemmende Gefühl: Sich vorstellen zu müssen, dass man zwar tot ist, dass aber das Herz aber noch schlägt. Was ist, wenn ich doch noch Schmerzen bei der Entnahme der Organe empfinde? Eine Frage, der sich eine simple Aufforderung der Krankenkasse nicht annähren kann – und beantworten sowieso nicht. 

Was bringt also die Entscheidungslösung? Immerhin ist das Thema auf der Agenda der Politiker, der Medien und somit in der öffentlichen Diskussion – und das ist auch gut so. Sie wird aber nur dann auch eine wesentliche Bereitschaft zur Spende auslösen können, wenn die Politik eine Lösung findet, mit den Ängsten der Menschen umzugehen. Für Aufklärung zu sorgen, mehr Personal in den Krankenhäuser zu ermöglichen und so mehr Ansprechpartner für die Sorgen der Menschen bei einer Organspende anzubieten. Das können eben nur geschulte Menschen, keine Aufforderung der Krankenkassen. Ansonsten bleibt die Entscheidungslösung eine Worthülle ohne Inhalt.

Dieser Kommentar erschien erstmals am 24. November 2011 auf evangelisch.de, als die erste Entscheidung zur Entscheidungslösung bei der Organspende gefallen war.


Maike Freund ist Redakteurin bei evangelisch.de.