Volle Insel: Deutschland nimmt 152 Flüchtlinge aus Malta auf

Volle Insel: Deutschland nimmt 152 Flüchtlinge aus Malta auf
Seit den arabischen Revolutionen kommen immer mehr Flüchtlinge nach Malta. Dort leben die Afrikaner in überfüllten Lagern. Deutschland nimmt jetzt 152 Flüchtlinge auf - aber gleichzeitig wird weiter nach Malta abgeschoben.
23.11.2011
Von Jasmin Maxwell

Ein Besuch im Hal-Far-Zeltdorf auf Malta schockiert selbst Menschen, die schon viele Flüchtlingslager gesehen haben. "Erschüttert" sei er gewesen, als er Ende Oktober dort war, berichtet Karl Kopp, Europareferent der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Manche der Zelte sind bei einem Unwetter im Februar beschädigt worden und hatten Löcher, Matratzen waren regendurchnässt. Einige Flüchtlinge verlassen das Zeltdorf jetzt in Richtung Deutschland. Die Bundesrepublik nimmt 152 afrikanische Flüchtlinge aus Malta auf.

Bislang lebten sie im Hal-Far-Lager, in Zelten, Containern oder einem alten Hangar. Der EU-Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg war im März auf Malta und forderte danach die Schließung des Zeltdorfs. Die Zustände seien "absolut unangemessen". Die Antwort der maltesischen Regierung: Das sei unrealistisch, dort lebten zu viele Flüchtlinge.

Ohne Gaddafi ist der Weg nach Malta frei

Seit Beginn der Libyenkrise ist auf Malta die Zahl der Flüchtlinge stark angestiegen. 2010 wurden auf dem Inselstaat laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR 139 Asylanträge gestellt. In der ersten Hälfte dieses Jahres waren es 1.632. Für viele Afrikaner, die von Tunesien und Libyen aus nach Europa flüchten, ist Malta der nächste Anlaufpunkt. Weil der frühere libysche Diktator Muammar al-Gaddafi die Seegrenzen bewachte, bot erst der Umsturz für viele die Möglichkeit zur Überfahrt. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Ländern wie Somalia, Eritrea oder Sudan.

Die Flüchtlingslager auf Malta sind voll belegt. Oft lebten über 20 Menschen in einem Raum, berichtet Wilfried Steen, der bis Juli Pfarrer der deutschen evangelischen Andreas Gemeinde auf Malta war. Die große Zahl an Flüchtlingen sei dem kleinen Inselstaat mit rund 420.000 Einwohnern nicht zuzumuten, sagt Steen.

In diesem Jahr haben sich zwölf EU-Staaten und zwei weitere Länder zur Aufnahme von über 300 Flüchtlingen bereiterklärt. Deutschland nimmt 152 Afrikaner auf, die seit Ende März dort angekommen sind. Schon auf Malta bekamen die Flüchtlinge von deutschen Kirchengemeinden und anderen Freiwilligen Deutschunterricht. Konstantin von Jagow, Vorstandsmitglied der Andreas-Gemeinde, berichtet von der großen Motivation der Flüchtlinge: "Sie wissen, dass sie das große Los gezogen haben."

Flüchtline aus "europäischer Solidarität" aufnehmen

Andere Flüchtlinge lebten seit Jahren auf Malta, die wenigsten wollten dort bleiben, sagt Pfarrer Steen. Viele versuchen, illegal in andere EU-Länder zu reisen. Wenn sie dort entdeckt werden, werden sie zurückgeschickt. Denn nach dem Dublin-II-Abkommen müssen Flüchtlinge in dem EU-Staat Asyl beantragen, den sie als ersten betreten.

Wenn EU-Länder Flüchtlinge aus anderen Mitgliedstaaten aufnehmen, dann auf freiwilliger Basis. Als "Zeichen europäischer Solidarität" bezeichnete Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Aufnahme der Flüchtlinge aus Malta bei einer Rede im Juni. Am Dublin-Abkommen halte Deutschland fest. 2010 wurden nach EU-Angaben 255 Flüchtlinge von Malta nach Europa umgesiedelt, 102 davon nach Deutschland. Gleichzeitig wurden laut Menschenrechtskommissar Hammarberg 560 Menschen zurückgeschoben.

UN-Flüchtlingswerk sucht noch weitere Aufnahmeplätze

Deutschland hat 2011 bislang 32 Flüchtlinge nach Malta geschickt. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums betonte, dass besonders schutzbedürftige Personen wie Familien mit kleinen Kindern nicht mehr nach Malta überstellt würden. Flüchtlingsaktivist Kopp reicht das nicht. Er fordert einen kompletten Abschiebestopp. Die Zustände in den Lagern auf Malta seien unzumutbar.

Kopp fordert mehr Solidarität, nicht nur innerhalb der EU. Seit Monaten sucht das UNHCR Aufnahmeplätze für 5.000 Flüchtlinge aus Tunesien und Ägypten. Deutschland stelle keine Plätze bereit, sagte ein UNHCR-Sprecher. Aus dem Bundesinnenministerium heißt es, darüber werde auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember verhandelt. Rheinland-Pfalz kündigte bereits an, für eine Aufnahme einzutreten. "Diese Menschen versuchen sonst, über das Meer nach Europa zu kommen", warnt Kopp. Mit Glück schaffen sie es nach Griechenland, Italien oder Malta. Laut Pro Asyl sind in diesem Jahr aber schon mehr als 2.000 Menschen bei der Überfahrt gestorben.

epd