Weltmacht in Nöten: Sind die USA noch regierbar?

Weltmacht in Nöten: Sind die USA noch regierbar?
Blockade, Stillstand, Lähmung: Die USA erweisen sich in Sachen Schuldenabbau als handlungsunfähig. Das birgt schwere Gefahren, vor allem Obama gerät unter Druck.
22.11.2011
Von Peer Meinert

Monatelang schauten die USA mit bangem Blick auf die Euro-Krise - jetzt schaut die Welt auf Amerika. Das Scheitern des überparteilichen "Super-Komitees", ein Rezept gegen die galoppierenden Staatsschulden zu präsentieren, lässt alle Alarmglocken schrillen. Die "Weltmacht Nummer eins", die größte Volkswirtschaft erweist sich in der Finanzpolitik als nicht handlungsfähig - kein angenehmes Signal für den Rest der Welt.

Wie schwerwiegend die neueste Schuldenkrise "made in USA" ist, lässt sich unschwer an Barack Obamas Gesichtszügen ablesen. Mit versteinerter Miene präsentiert sich der Präsident den Kameras, die Sätze sind kurz und scharf, die Botschaft knallhart. "In dieser Sache wird es kein einfaches Davonlaufen geben", zischt der Mann, der sonst stets lächelt.

Die Fronten zwischen Republikanern und Demokraten sind glasklar

Doch seine hoffnungsvollen Worte, dass vielleicht in den kommenden Monaten doch noch eine Lösung möglich sei, sind pure Lippenbekenntnisse. Obama weiß genau: An diesem düsteren und verregneten Montagabend ist der Kampf um das Weiße Haus endgültig entbrannt. Die Fronten zwischen Republikanern und Demokraten sind glasklar abgesteckt. Die Frage, die über den Wahlsieg am 6. November entscheidet: Wer schafft es, der Gegenseite die Schuld an der Finanz- und Wirtschaftsmisere zuzuschieben.

"Washingtons Super-Pleite", titelt die "Washington Post" am Dienstag. Seit dem Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen vor einem Jahr herrscht zwischen Regierung und Opposition ein lähmendes Patt. Die Bildung des "Super-Komitees" im Sommer sollte endlich den Ausweg bringen: Drei Monate durften jeweils sechs Republikaner und Demokraten zusammensitzen, unbehelligt von TV-Kameras und lästigen Fragen, um ihre tiefen politischen Gegensätze zu überwinden. Alles vergeblich.

So düster wie in Europa sieht es in den USA aber noch nicht aus

Ironie des gescheiterten Deals: Auch wenn sich die Streithähne in den nächsten Monaten um keinen Zentimeter annähern sollten, wird es eine spürbare Reduzierung des Defizits geben. Nämlich in Höhe von 1,2 Billionen Dollar ab 2013 - das sehen die "automatischen Einsparungen" vor, die der Kongress bei der Bildung des "Super-Komitees" hellsichtig vereinbart hatte.

Und, bei aller Dramatik: So düster wie in Europa sieht es in den USA noch lange nicht aus. In Amerika steht weder einen Währung auf der Kippe, noch droht die US-Regierung wie Griechenland oder Italien in die Staatspleite abzurutschen - zumindest im Moment nicht. Nach wie vor sind die USA die größte Volkswirtschaft auf dem Globus, der Dollar ist Leitwährung - und wenn die Börsen weltweit zittern, flüchten die Anleger noch immer in US-Staatsanleihen.

Ein knallharter Wahlkampf hat begonnen

Was auf den Spiel steht, ist etwas anderes: Sind die USA in der Finanzpolitik noch regierbar? Zwar gelten Amerikaner ansonsten als pragmatische Menschen, die an konkreten Lösungen statt an tiefschürfenden Grundsatzdebatten interessiert sind. Doch die politische Debatte in den USA ist von einem Trend zur ideologischen Verhärtung erfasst, die zu Lähmung und Blockade führt.

Vor allem die populistische "Tea-Party-Bewegung" setzt mit ihren simplen Schlagworten die gemäßigte Führung der Republikaner unter Druck. Kompromissloses Nein zu Steuererhöhungen, kompromissloses Nein zu "Big Government" kombiniert mit dem Ruf nach Steuererleichterungen für Reiche und nach massiven Kürzungen beim Sozialen - da bleibt kein Raum mehr zur Einigung. Der Stillstand sei nicht die Folge des Systems, kommentiert die "Washington Post" verärgert. "Das ist das Resultat ideologischer Starrheit."

Doch jetzt geht der Kampf erst richtig los. Kein Zweifel: Ein knallharter Wahlkampf hat begonnen. Die Republikaner werden sich darauf konzentrieren, Obama als Schuldigen der Krise vorzuführen.

Schon in wenigen Wochen, wenn es um den Etat geht, steht ein neues Kapitel bevor. Im Frühjahr musste die Regierung in Washington um ein Haar zahlreiche Bundesbehörden schließen, nur eine Einigung in allerletzter Minute brachte doch noch Geld in die Kassen. Die Staatspleite konnte verhindert werden - das könnte diesmal anders ausgehen.

dpa