Wider die Klischees: Initiative für mehr Erzieher

Wider die Klischees: Initiative für mehr Erzieher
Kindererziehung ist Frauensache. Dieses Vorurteil steht Männern in Kindertagesstätten häufig im Weg, nur wenige arbeiten in Kitas. Eine bundesweite Initiative will das ändern.
11.11.2011
Von Miriam Schmidt

Überall wuseln kleine Knirpse umher, die Fragen haben und Aufmerksamkeit wollen. An einem niedrigen Tisch sitzt eine Gruppe Kinder, sie malt und bastelt Papierflieger. "Basti, was machst du da?", fragt die kleine Marie. "Wird das ein Haus?" löchert ihn Elin. Basti, das ist der 30-jährige Sebastian Hanisch, Erzieher in einer Hamburger Kindertagesstätte und auch im größten Chaos die Ruhe selbst.

Mit blonden Wuschelhaaren, Vollbart und tätowierten Armen hebt sich Hanisch von den Kindern deutlich ab. Er hat in der Kita seinen Traumjob gefunden, entgegen aller Vorurteile und Klischees. Dass Erzieher als Frauenberuf gilt, hat ihn nie gestört. "Man geht mit Freude zur Arbeit und man kriegt viel wieder. Das Strahlen der Kinder ist eigentlich das Schönste", sagt er. Dafür nimmt Hanisch auch Nachteile wie verhältnismäßig geringe Aufstiegschancen in Kauf.

Modellprogramm "Mehr Männer in Kitas"

Viele andere Männer lassen sich davon aber abschrecken. Bundesweit sind nur rund 3,3 Prozent der pädagogischen Fachkräfte Männer, in Hamburg gibt es mit 9,1 Prozent noch die meisten. Das vom Bundesfamilienministerium geförderte Modellprogramm "Mehr Männer in Kitas", das aus bundesweit 16 Projekten besteht, soll dabei helfen, diese Quote auf 20 Prozent zu erhöhen. Das größte Projekt ist in Hamburg beim Paritätischen Wohlfahrtsverband angesiedelt.

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Eine Studie der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin (KHSB) ergab, dass der Beruf immer noch mit einem veralteten und stereotypen Berufsbild zu kämpfen hat. Dazu kämen schlechte Entlohnung, niedrige soziale Anerkennung und geringe Aufstiegschancen. Auch die weibliche Kommunikations- und Arbeitsstruktur in Kitas könne für Männer ein Hindernis sein.

Dabei wünschen sich sowohl Eltern als auch Verantwortliche und Fachkräfte mehr männliche Unterstützung in Kitas, wie die Studie ergeben hat. Erzieher werden als bereichernd wahrgenommen und sehr geschätzt. "Beide Geschlechter sind wichtig für das Großwerden von Kindern", sagt der Leiter der Hamburger Koordinierungsstelle, Ralf Lange. Ein weiteres Argument sieht er im drohenden Fachkräftemangel. "Der ist nicht anders zu lösen, als dass mehr rekrutiert wird. Und da ist die Zielgruppe der Männer noch nicht ausgeschöpft."

Mangelde Wertschätzung für Erzieher

Iris Wagenblast ist die Geschäftsführerin der Hamburger Kita "Die halben Meter". Sie sieht eines der Hauptprobleme des Berufs in der mangelnden Wertschätzung: "In ländlichen Bereichen gibt es häufig die Einstellung: Das kann meine Frau auch, ein bisschen mit den Kindern spielen", kritisiert sie. Sie fordert mehr Anerkennung: "Wenn man Kinder sechs Jahre lang kompetent fördert und ihnen eine konstante, emotionale Bindung mitgibt, haben sie später viel weniger Probleme. Und das wird gesellschaftlich total verkannt."

Das Bild vom Erzieher als Frauenberuf ist nach Ansicht des Hamburger Netzwerks noch zu sehr verankert. "In der Berufsberatung ist häufig gar nicht präsent, dass es auch Männer in dem Beruf gibt. Da wird dann immer von Erzieherinnen gesprochen", sagt Mitarbeiterin Katja Gwosdz. Auch Lange betont, dass viele Männer erst über ein Praktikum oder den Freiwilligendienst zu dem Beruf fänden. "Sie haben solche Berufe nicht im Blick, wenn sie 14, 15 Jahre alt sind."

"Ich finde es schwierig, Männer unter Generalverdacht zu stellen"

Die KHSB-Studie sieht auch den potenziellen Verdacht, "Männer arbeiteten mit Kindern, weil sie Kinder missbrauchen wollten" als Hindernis für junge Männer. Wagenblast hat zu diesem Thema eine klare Einstellung: "Man darf kein Tabu-Thema daraus machen, aber ich finde es schwierig, Männer unter Generalverdacht zu stellen." Diskussionen darüber, ob Erzieher Kinder auf den Schoß nehmen oder Windeln wechseln dürfen, hält sie für unsinnig. Ihr Rezept, um Vorurteilen vorzubeugen: Viel Transparenz und Offenheit.

Das Gefühl, der Hahn im Korb zu sein, kennt Sebastian Hanisch nicht. In seiner Kita arbeiten fünf Männer und drei Frauen - eine absolute Ausnahme. Eine klassische Rollenverteilung gibt es nicht: Hanischs Kollegin ist für das Fußballspielen zuständig, er ist mit den Kindern gerne in der Natur unterwegs. "Die Geschlechtermischung macht's aus. Wir wollen den Kindern die Lebenswelt aufzeigen, die ja nun mal aus Männern und Frauen besteht", betont Wagenblast.

dpa