Fußball-Anleihen: "Auf St. Pauli regeln wir das unter uns"

Fußball-Anleihen: "Auf St. Pauli regeln wir das unter uns"
Finanzkick oder Risiko für Fans? Immer wieder zocken Fußballklubs mit Anleihen auf den Finanzmärkten, viele schossen sich damit ein Eigentor. Nun versucht es auch der Hamburger Kultverein St. Pauli: Er borgt sich Geld von seinen Fans. Der Startschuss für die Anleihe erfolgt heute unter dem Motto "Auf St. Pauli regeln wir das unter uns". Gezeichnet werden kann bis Januar.
10.11.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Schon vor einigen Jahren haben deutsche Fußball-Klubs Wertpapiere als Finanzierungsquelle entdeckt. Doch so viel Gutmensch war selten im Kicker-Business: "Während wir in der Vergangenheit häufig darauf angewiesen waren, dass wir etwas bekamen, können wir nun etwas zurückgeben", freut sich Michael Meeske, Geschäftsführer des Hamburger Fußballclubs St. Pauli. Geben ist gewiss seliger denn nehmen, doch einnehmen möchte der populäre Kiezklub trotzdem etwas, nämlich sechs Millionen Euro. Diese Millionen sollen Anhänger und Anleger dem Verein für den geplanten Ausbau von Stadion und Trainingsgelände leihen. Die Anleihe ist jedoch nicht ohne Risiko.

Fast ein Dutzend Profiklubs hat bereits Schuldverschreibungen ausgegeben. Darunter so namhafte Vereine wie Schalke 04, 1. FC Köln und Hertha BSC, Arminia Bielefeld, Hansa Rostock und 1860 München. Mit dem frisch geliehenen Geld wurden "Arenen" gebaut, alte Schulden getilgt oder einfach nur der Verein für ein paar Monate finanziell vorm Abstieg gerettet.

"Mit hoher emotionaler Bindung"

Stefan Ludwig, Fußballexperte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche in Düsseldorf, hält Anleihen für "eine interessante Alternative" zum Bankkredit. Die volle Summe für einen Stadionbau werde kaum über einen Kredit allein zu finanzieren sein und aus Sicht des Vereins sei "ein sinnvoller Mix bei der Finanzierung anzustreben". Dazu gehörten dann auch Anleihen. Auf einen weiteren Aspekt weist Wolfgang Maennig hin. Der Sportökonom an der Universität Hamburg sagt: "Anleihen werden von Unternehmen auch auf dem allgemeinen Kapitalmarkt neu entdeckt, weil die Banken angesichts der Krise mit Krediten zurückhaltender umgehen."

So würden die meisten Fußballklubs von den Banken entweder keinen Kredit erhalten oder nur zu deutlich höheren Zinssätzen als bei Anleihen. "Ich bin sicher, St. Pauli würde für sechs Prozent Zinsen kein Darlehen von einer Bank erhalten." Anderseits könnten Traditionsvereine auf ein großes Potenzial an möglichen Anlegern "mit einer hohen emotionalen Bindung" zurückgreifen, auf zehntausende Vereinsanhänger, ergänzt Analyst Ludwig. Daher reiche es aus, einen niedrigeren Zinssatz zu bieten als normale mittelständische Unternehmen.

Auf "dem Markt" entscheidet normalerweise das Verhältnis von Risiko und Rendite: Anleihen mit einem hohen Risiko wie das St.Pauli-Papier müssen daher eigentlich eine hohe Rendite als Risikoprämie für Anleger bieten - und umgekehrt. So müssen namhafte Mittelständler, die in diesen Tagen Anleihen auflegen, wie die Süßkatzenproduzenten von Katjes (7,1 Prozent) oder der Badarmaturenhersteller Grohe (8,6 Prozent) deutlich mehr Zinsen versprechen, als es der Hamburger Fußballklub tun will. Dabei gelten deren Geschäftsmodelle vergleichsweise als grundsolide.

"Fataler Wettbewerb"

Trotz Milliardeneinnahmen schiebt die Fußballbranche einen kolossalen Schuldenberg vor sich her. Der "fatale Wettbewerb" zwinge die Vereine, in Spieler und Steine zu investieren, sagt Sportökonom Maennig. Der FC St. Pauli sei dabei noch recht ordentlich aufgestellt. Außerdem zeigen Studien von Professor Maennig, dass "sich der intelligente Ausbau der Infrastruktur rechnet". So bringe ein Stadionausbau, wie ihn St. Pauli und Union Berlin planen, im Schnitt ein zweistelliges Plus bei den Zuschauereinnahmen.

Anders als in England oder der Türkei konnte sich die Aktie als Finanzinstrument im deutschen Fußball nie richtig durchsetzen. Das liegt zum einen am restriktiven Regelwerk des Deutschen Fußballbundes (DFB), zum anderen an schlechten Erfahrungen mit der einzigen Fußballaktie in der Bundesliga. Die Borussia Dortmund AG ging im Milleniumsjahr mit Hilfe der Deutschen Bank an die Börse und kassierte Millionen. Für Anleger wurde die Aktie jedoch zum Eigentor: Den Platzierungspreis von 11 Euro erreichte die Aktie nie wieder und selbst nach der jüngsten Meisterschaft erklomm der Börsenkurs nur kurzzeitig die 3-Euro-Marke, um dann erneut abzusteigen.

Die Probleme der Soccer-AGs

Kaum besser lief es im Mutterland des Fußball-Kapitalismus, England. Im Oktober 1983 spielte der spätere Jürgen-Klinsmann-Klub Tottenham Hotspurs als Erster an einer Börse vor. Zwischenzeitlich wuchs die Zahl der Soccer-AGs in Europa auf rund 40, die Hälfte davon in Großbritannien. Die meisten blieben erfolglos. Letztlich verkamen die Fußball-Werte zu Spielobjekten für Milliardäre aus Russland, USA oder Thailand, die sich oft ihre feindlichen, per Kredit finanzierten Übernahmen von den Übernahmekandidaten bezahlen lassen.

Doch Fußballanleihen wie die vom FC St. Pauli seien "Liebhaberstücke" und die besitzen ein "hohes Risiko", mahnt Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). Bei einem Abstieg in die dritte oder vierte Liga könne schon in eins, zwei Jahren die Pleite drohen. Während der Anleihe-Laufzeit von fünf, sechs Jahren oder länger drohe daher immer "ein latentes Insolvenzrisiko". Gegen das Risiko stehe eine "emotionale Rendite" für Liebhaber des Fußballspiels: Als Verlängerung gibt es Schmuckurkunden mit Totenköpfen, Spielerfotos oder Autogrammen als Devotionalien. Und es lockt ein Zusatznutzen für Dauerkartenbesitzer. Sie finanzieren gewissermaßen ihren eigenen Steh- oder Sitzplatz auf der neuen Tribüne.


Hermannus Pfeiffer arbeitet als freier Wirtschaftspublizist in Hamburg.