Arbeitslose meiden den Bundesfreiwilligendienst

Arbeitslose meiden den Bundesfreiwilligendienst
Alles Werben scheint vergebens: Hartz-IV-Empfänger interessieren sich nicht für den Bundesfreiwilligendienst. Unter dem Strich hätten sie 60 Euro monatlich mehr im Geldbeutel. Das lohne sich nicht, sagen viele.
08.11.2011
Von Carsten Grün

Seit im Juli der Bundesfreiwilligendienst (BFD) den Zivildienst abgelöst hat, haben sich laut Bundesarbeitsministerium über 20.000 Frauen und Männer für den neuen Dienst gemeldet. Nach Startschwierigkeiten scheint das Interesse am BFD zu wachsen. Nicht aber bei den Langzeitarbeitslosen. Sie könnten ihr Einkommen aufbessern, machen aber noch einen Bogen um den BFD: Der Job sei finanziell nicht attraktiv genug, ist in Internetchats zu lesen.

Bis zu 330 Euro verdient ein Freiwilliger im BFD, dazu kommen bei Bedarf eine kostenlose Unterkunft, Verpflegung, Dienstkleidung sowie Zahlungen in die Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Insbesondere für Hartz-IV-Empfänger biete der Dienst mit der Zahlung in die Arbeitslosenkasse eine echte Möglichkeit des Engagements, betont der Bundesbeauftragte für den Freiwilligendienst, Jens Kreuter. Der BFD sei "offen für alle Altersgruppen und die Leute sind sozial versichert". Langzeitarbeitslose könnten nach einem Jahr Freiwilligendienst wieder in den ALG-1-Bezug kommen, dadurch bessere Vermittlungschancen erhalten oder einfach, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, in Rente gehen, erläutert Kreuter.

60 Euro "Taschengeld" sind den meisten zu wenig

Nach Informationen der Bundesstelle für Freiwilligendienste darf ein Hartz-IV-Empfänger als BFD'ler von seinem Taschengeld 60 Euro als Zuverdienst behalten, die nicht auf die Hartz-IV-Leistung angerechnet werden. Damit will der Gesetzgeber die Motivation von ALG-II-Beziehern stärken, am BFD teilzunehmen, heißt es auf den Internetseiten der Behörde. Ein Blick auf die Kommentarseiten des Bundesfreiwilligendienstes zeigt aber, warum viele Hartz-IV-Bezieher mit diesem Dienst nichts anfangen können. 60 Euro als Zuverdienst sind den meisten einfach zu wenig.

Klaus P. schreibt: "60 Euro für Langzeitarbeitlose, die Arbeiten wollen, das ist der Hohn." Ähnlich sieht das Arne B.: "Wenn man zu seinen Hartz IV-Bezügen noch die 330 Euro für den Bundesfreiwilligendienst plus Fahrtkosten bekommen würde, dann würde ich mich sofort zur Verfügung stellen." Anders argumentiert dagegen Regina: "Irgendwie geht es hier immer nur ums Geld. Sicherlich ein ganz wichtiger Aspekt. Aber was ist, wenn man das Gefühl hat, zu Hause zu versauern ohne Arbeit und einem die Decke auf den Kopf fällt? Ich finde den BFD mehr als sinnvoll."

Zielgruppen zeigen kein Interesse

"Bisher haben wir keine älteren Bewerber und auch keine aus dem Hartz-IV-Bezug. Grundsätzlich stehen unsere Plätze aber allen Personen offen, die Willens sind, sich zu engagieren", sagt Marco Schmidt, Leiter der Einsatzdienste des Deutschen Roten Kreuzes in Oberhausen. Diese Erfahrung bestätigen auch die Jobcenter, die die Empfänger von Hartz-IV betreuen. "Der Bundesfreiwilligendienst stößt bei SGB-Kunden auf wenig Resonanz", so Heike Schupetta, Pressesprecherin des Essener Jobcenters. Mit SGB-Kunden sind die Hartz-IV-Empfänger gemeint. Auch Pressestellen anderer Jobcenter im Ruhrgebiet äußerten sich ähnlich.

Gestiegen sei dagegen das Interesse an Plätzen im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ). Das seien aber häufig Schulabsolventen, meistens junge Frauen. "Wir haben im Jahr 2011 eine deutlich stärkere Nachfrage nach FSJ-Plätzen gehabt als in den Vorjahren. Für den BFD hielten sich die Anfragen 2011 eher in Grenzen. Das lag sicher auch daran, dass die ganze Planung des BFD durch die Bundesregierung einen eher überhasteten Eindruck machte", sagt DRK-Mann Schmidt. Zudem hätten den Dienststellen nicht genügend Informationen vorgelegen, die an Interessenten hätten weitergegeben werden können.

Kritiker fordern auch eine Neuausrichtung des BFD. Er solle keine Fortsetzung des Zivildienstes unter anderem Namen sein, sagte jüngst der Präsident des Diakonischen Werkes, Johannes Stockmeier. Er sprach sich dafür aus, ein eigenständiges, zivilgesellschaftliches Angebot zu entwickeln. Dazu müsse auch eine Korrektur bei den Hinzuverdienstgrenzen erfolgen.

epd