Euro-Gipfel einig über Schutzwall gegen Schuldenkrise

Euro-Gipfel einig über Schutzwall gegen Schuldenkrise
Europa verhandelt beim Krisengipfel mit den Banken einen Schuldenschnitt für Griechenland. Der Rettungsfonds für klamme Eurostaaten wird schlagkräftiger. Und Italien verpflichtet sich auf einen Sparkurs.
27.10.2011
Von Christian Böhmer und Martin Romanczyk

Europa hat einen Schutzwall gegen die gefährliche Schulden- und Bankenkrise errichtet. Der Euro-Gipfel einigte sich am Donnerstag auf ein umfassendes Paket, zu dem ein neuer Rettungsplan für Griechenland von 100 Milliarden Euro gehört und ein gestärkter Krisenfonds für klamme Eurostaaten. Zudem gibt es einen teilweisen Schuldenerlass für Griechenland. Private Gläubiger wie Banken und Versicherer verzichten auf die Hälfte ihrer Forderungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach zehnstündigen Beratungen in Brüssel: "Wir haben heute Nacht gezeigt, dass wir die richtigen Schlüsse aus der Krise ziehen. Mir ist sehr bewusst, dass die Welt heute auf diese Beratungen geschaut hat."

Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy nannte die Beschlüsse historisch. "Ich denke, das Ergebnis wird mit Erleichterung von der ganzen Welt aufgenommen werden, die auf mutige Entscheidungen von der Eurozone gewartet hat."

Mehr Kapital für Banken - Italien verspricht Sparkurs

Zudem müssen sich die führenden Banken des Kontinents gut 106 Milliarden Euro frisches Kapital besorgen. Nur so kann die Branche nach Berechnungen der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) den Schuldenerlass verkraften. Deutsche Banken brauchen frisches Kernkapital in Höhe von 5,18 Milliarden Euro.

Mit dem "Haircut" (Schuldenschnitt) von 50 Prozent seien Banken und Versicherungen jetzt "substanziell" beteiligt, sagte die Kanzlerin. Ohne einen freiwilligen Verzicht der Gläubiger könnte das gesamte Krisenmanagement in Gefahr geraten, zumal das Regierungschaos in Italien die Finanzmärkte weiter verunsicherte.

Italien versprach besorgten Partnern, seine hohe Staatsverschuldung zu vermindern. EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy sagte, das Rentenalter solle bis 2026 auf 67 angehoben werden. Bis 2014 soll der Schuldenstand auf 113 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken. Brüssel fürchtet, dass Italien von der Schuldenkrise "angesteckt" werden könnte.

Schuldenschnitt und neues Griechenland-Paket

Die Verschuldung Griechenlands solle bis zum Jahr 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung gesenkt werden, sagte Merkel. Auf dieser Grundlage werde es ein neues Griechenland-Programm mit einem Wert von 100 Milliarden Euro geben.

Im Juli hatten die Regierungen ursprünglich 109 Milliarden Euro Hilfe beschlossen. Das war aber nie abschließend auf den Weg gebracht worden, weil sich die wirtschaftliche Lage des Griechenlands dramatisch verschlechterte.

Nun kommen allerdings zusätzliche Garantien in Höhe von 30 Milliarden Euro als "Beitrag des öffentlichen Sektors für die private Beteiligung der Gläubiger" hinzu, sprich: die Euro-Staaten sichern den Schuldenschnitt mit diesen Garantien ab.

Um den Forderungsverzicht der Banken gab es harte Verhandlungen zwischen der Euro-Gipfelrunde und den Vertretern der Banken. Die Regierungen hätten "ein einziges Angebot" gemacht und deutlich werden lassen, "dass dies unser letztes Wort ist", sagte Merkel. Sie führte an der Seite von Sarkozy die Verhandlungen teilweise in kleiner Runde.

Die Euroländer mussten handeln, da Griechenlands Schuldenlast nicht mehr tragfähig war. Es dürfte 2012 nach Prognosen auf eine Staatsverschuldung von rund 170 Prozent der Wirtschaftsleistung kommen, das ist Rekord in Europa. Als tragfähig gilt ein Wert von 120 Prozent - bei einer funktionierenden Regierung. Das gilt mit dem Kompromiss bis 2020 erreicht.

Bereits im Juli hatte die Eurozone beschlossen, Banken und Versicherungen bei einen neuen Hilfspaket mit einem freiwilligen Abschlag von 21 Prozent ins Boot zu holen.

Schlagkraft des Rettungsfonds EFSF vervielfacht

Der Krisenfonds EFSF kann seine Mittel künftig auf bis zu eine Billion Euro vervielfachen. Derzeit kann der Fonds 440 Milliarden Euro Kredite vergeben. Die Vervielfachung funktioniert mit einem sogenannten Hebel, der allerdings auch das Verlustrisiko bei Pleiten kriselnder Staaten erhöht.

Der Garantierahmen Deutschlands von 211 Milliarden Euro soll dennoch auf jeden Fall unverändert bleiben. Unter dieser ausdrücklichen Bedingung hatte der Bundestag am Mittwoch Merkel ein umfassendes Verhandlungsmandat gegeben - mit Stimmen der Union, der FDP, SPD und Grünen.

Der EFSF wird nun teilweise das Risiko eines Zahlungsausfalls für Schuldtitel gefährdeter Euro-Staaten übernehmen. Er bietet quasi eine Art Teilkaskoversicherung, wenn Schuldenstaaten neue Anleihen ausgeben.

Zudem soll ein neuer Sondertopf geschaffen werden, an dem sich der Internationale Währungsfonds IWF beteiligt. Dieser Fonds investiert in Anleihen, die der EFSF ebenfalls zum Teil absichert. Dabei könnten ausländische Investoren wie Staatsfonds aus China mitmachen.

Der EU-Gipfel hatte sich am Mittwoch über die Banken-Kapitalisierung bis zum 30. Juni 2012 verständigt. Bis dahin müssen die systemrelevanten Banken ihre harte Kernkapitalquote auf neun Prozent anheben. Systemrelevante Banken würden bei einem Zusammenbruch das gesamte Finanzsystem gefährden.

dpa