Gemeindearbeit: Unterschriften sammeln für die Finanztransaktionssteuer

Gemeindearbeit: Unterschriften sammeln für die Finanztransaktionssteuer
Die bayerische Landeskirche engagiert sich für die die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Ziel ist, bis Ende Oktober innerhalb der Landeskirche 100.000 Unterschriften dafür sammeln. Wie erklärt man diese Aktion dem normalen Gemeindemitglied? Lässt sie sich in der Gemeindearbeit vor Ort umsetzen? evangelisch.de sprach mit Pfarrer Georg Salzbrenner, der sich in seiner Gemeinde für diese Aktion engagiert.
24.10.2011
Die Fragen stellte Ralf Peter Reimann

In Ihrer Gemeinde sammeln Sie vor und nach den Gottesdiensten Unterschriften für die Einführung der "Finanztransaktionssteuer". Wie erklären Sie Ihrer Gemeinde, was dies ist?

Georg Salzbrenner: Das Ziel der Finanztransaktionssteuer lässt sich auch in der Gemeindearbeit sehr einfach erklären: Kaufe ich einen Liter Milch, zahle ich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf den Kaufpreis, bei einem CD-Spieler sind es 19 Prozent. Benötige ich einen Handwerker, zahle ich ebenso 19 Prozent Steuer vom Rechnungsbetrag. Wenn ich aber mit 500 Millionen Euro spekuliere, diese zum Beispiel in Dollar wechsle und drei Wochen später zurückumtausche und pro eingesetztem Euro dabei einen Cent gewinne, dann zahle ich auf die so verdienten fünf Millionen Euro Gewinn keinen Cent Steuer. Das wollen wir ändern.

Warum wurde ein so komplizierter Begriff wie Finanztransaktionssteuer dafür gewählt? Einfacher wäre es, dies Spekulationssteuer zu nennen. Aber: Das ist ein Kampfbegriff und wir wollen die Leute, die ihr Geld damit verdienen, nicht vor den Kopf stoßen. Wir wollen einfach nur, dass diese Leute auch Steuern bezahlen und sich so an den Gemeinschaftsaufgaben beteiligen, wie wir alle auch.

Im Bereich unserer Gemeinde haben über ein Drittel aller Gemeindeglieder unterschrieben. Wahrscheinlich hätten noch mehr Menschen unterschrieben, wenn wir noch mehr Veranstaltungen durchgeführt hätten hätten. Wir haben aber die Unterschriftslisten einfach in alle Gruppen mitgenommen und den Menschen das Anliegen erklärt.

Gehört ein Thema wie Transaktionssteuer auch auf die Kanzel?

Salzbrenner: Ich halte mich bei Predigten während der Unterschriftenaktion zurück; kleine Hinweise auf die Finanztransaktionssteuer finde ich aber auch auf der Kanzel in Ordnung. Es soll aber während der Unterschriftenaktion nicht der Eindruck entstehen, es wären nur diejenigen Christen willkommen, gerecht oder in Ordnung, die bei der Aktion unterschreiben. In der Weltwirtschaftskrise Ende 2008 habe ich zum Beispiel über die "Gier nach immer mehr" gepredigt. Insofern gehören wirtschaftliche Themen auch immer wieder auf die Kanzel. Wir hatten aber auch eine Informationsveranstaltung zum Thema bei uns in der Gemeinde gemacht, zu denen wir auch Multiplikatoren von der Gewerkschaft und kathollischen Arbeitnehmerbewegung eingeladen haben.

Pfarrer Georg Salzbrenner (li.), Sozialsekretärin Evi Pohl und Thomas Krämer vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt in Bayern bei einer Infoveranstaltung. Foto: privat

Ist es Christenpflicht zu unterschreiben? Oder gibt es auch Kritik an der Aktion?

Salzbrenner: Natürlich ist es keine Christenpflicht zu unterschreiben. Es gibt ganz viele Gründe und Ängste, warum jemand nicht unterschreiben kann oder will. Aber genauso kann ich jedem empfehlen, sich an dieser Unterschriftenaktion zu beteiligen.

Ein Gottesdienstbesucher meinte, das sei Politik, was wir machen. Und natürlich hat er recht. Aber: Politik ist nichts Böses! In unserer Demokratie ist es das Recht jedes Menschen, sich frei politisch zu äußern und wir alle sind aufgefordert, uns an der Meinungsbildung zu beteiligen. Auch wir als Kirche beteiligen uns an der Meinungsbildung: Anständig und korrekt bringen wir unsere Argumente vor, nicht rechthaberisch und fanatisch. Die Christengemeinde handelt innerhalb und als Teil der Bürgergemeinde. Wir bringen uns als Christinnen und Christen zum Wohle aller in unser Staatswesen ein und "suchen der Stadt Bestes", wie es der Prophet Jeremia ausdrückt, denn wir wollen, dass es allen Menschen gut geht.

Und im Übrigen, wenn wir uns nicht einbringen würden, wäre es auch Politik. Dann aber zur Bestärkung des Bestehenden. Und das läuft ja gerade nicht so gut. Wir wollen also unsere demokratisch gewählte Regierung unterstützen bei der Umgestaltung und der Kontrolle der Finanzwirtschaft, damit weitere Wirtschaftskrisen wie 2008/2009 verhindert werden können.

In Bayern unterstützt ein breites Bündnis die Aktion der Landeskirche für die Transaktionssteuer. Warum werden die Unterschriften jedoch hauptsächlich von der evangelischen Kirche gesammelt?

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Georg Salzbrenner: Ich denke, da können wir schon ein bisschen stolz sein auf unsere Kirche und auf diese Art der Basisarbeit. Viele Menschen haben unterschrieben, aber noch viel mehr Menschen haben gemerkt, dass das Thema Finanztransaktionssteuer wichtig ist. Und darauf kommt es letztendlich an. Vermutlich hatten manch andere Organisationen nicht die Kraft, vielleicht auch nicht den Weitblick und die Einsicht in die Notwendigkeit dieser Basisarbeit.

Wer unterschreibt bei Ihnen? Wie reagieren Menschen auf die Aktion, die nicht zur Kirche gehören?

Salzbrenner: Wir haben die Unterschriftenlisten einfach dorthin mitgenommen, wo wir eh waren. So haben wir Unterschriften bekommen vom Bürgermeister bis zum Arbeitslosen. Politiker aus allen Parteien haben unterschrieben und eben viele, viele ganz normale Gemeindeglieder: Nach dem Gottesdienst stehen wir beim Kirchenkaffee zusammen, unterhalten uns – auch über die Finanztransaktionssteuer – und da ist dann Gelegenheit zu unterschreiben. Natürlich hat so eine Unterschriftenliste auch einen missionarischen Aspekt. Wir sind eine offene Gemeinde, wir wachsen gegen den Trend und mancher tritt gerne in eine Kirche ein oder auch wieder ein, die sich auch für das Gemeinwesen einsetzt. So kamen in dieser Zeit der Unterschriftensammlung zwei Menschen auf mich zu, die einen Wiedereintritt erwägen.


Georg Salzbrenner ist Gemeindepfarrer in der Erlöserkirche in Würzburg und Dekanatsbeauftrager für den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt.