"Tacheles"-Talk: Sinn der Kirche umstritten

"Tacheles"-Talk: Sinn der Kirche umstritten
In Hannovers Marktkirche stand der Sinn der Kirche im Mittelpunkt der evangelischen Fernseh-Gesprächsrunde "Tacheles". Der Titel der Sendung: "Sehnsucht nach Sinn: Wie viel Kirche braucht das Land?" Die Gäste diskutierten in der evangelischen Talkshow "Tacheles" unter anderem über die Rolle von Religion in der Politik und Religionsunterricht.
17.10.2011
Von Rosa Legatis

Die Gäste waren der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium Hermann Kues (CDU) und der Sprecher der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung Philipp Möller.

Das Gespräch zwischen den vier Gästen der Talkrunde und Moderator Jan Diekmann war geprägt von gegenseitigem Respekt und einer entspannten Atmosphäre. Selbst die von Philipp Möller provokant formulierten Äußerungen sorgten nur für kurze leidenschaftliche Sequenzen, so zum Beispiel diese: "Wir werden nie rausfinden, ob es Gott wirklich gibt, wir werden auch nie rausfinden, ob es die Zahnfee wirklich gibt." Hannovers Landesbischof Ralf Meister ging diese Äußerung zu weit: "Wir reden hier ja nicht über naive Zahnfeespinner, sondern über 50 Millionen Menschen in Deutschland, die sagen, dieser Gott hat noch eine Relevanz für mich."

Als originell bezeichnete Meister allerdings eine Aktion der Giordano-Bruno-Stiftung: ein Reisebus tourte drei Wochen durch Deutschland. Auf ihm war zu lesen: "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott". Ralf Meister erlebte diese Aktion als Ermutigung für die Kirche zu zeigen, "wofür stehen wir eigentlich".

Atheisten sind auch "Suchende"

Auch für den CDU-Politiker Hermann Kues bot diese Idee Diskussionsstoff. Sie zeige aber auch, dass ein Atheist, der mit so einem Bus durch die Gegend fährt, ebenfalls ein Suchender sei. Für den Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele spielte nicht die Frage "Gibt es einen Gott?" eine Rolle, da wolle er sich nicht einmischen. Aber der Kirchentag in Leipzig und der Besuch des Papstes haben ihm gezeigt, "vielen Menschen bedeutet dies etwas, gibt ihnen Kraft".

[reference:nid=50085]

Dennoch lehnte Ströbele den Religionsunterricht in Schulen ab. Denn Schule "ist ja eine staatliche Veranstaltung, da gehört das so nicht hin". Aber natürlich müsse es dort allgemeine Informationen über Religion, über Werte geben. Staatssekretär Kues hielt dagegen: "Wenn Religion für die Menschen wichtig ist, dass ihnen Leben gelingt, dann wäre es geradezu aberwitzig, dass man sie an Schulen nicht anbietet."

Einig waren sich die beiden Talkgäste Ströbele und Kues darin, dass christliche Werte Politiker in ihrer Arbeit beeinflussen. "Es wäre völlig abwegig zu behaupten, in meinem politischen Engagement spielt es keine Rolle, wenn ich Christ bin", so Hermann Kues. Allerdings meinte der Grüne Ströbele: "Wir Politiker brauchen Werte, nicht nur christliche Einzelpunkte, und sollten sie jeden Tag bei jeder wichtigen Entscheidung im deutschen Bundestag anwenden."

Die Zukunft liegt im einzelnen Menschen

Künftig wird es für die Kirche in Deutschland nicht einfach, darin waren sich alle einig. Philipp Möller geht davon aus, dass die Zahl der Mitglieder in den nächsten 15 Jahren auf etwa 50 Prozent sinken werde, und "dann werden Privilegien fallen." Atheisten und Muslime werden nicht mehr das System Kirche mitfinanzieren müssen. "Religion wird es noch geben, aber als Privatsache." Für Hannovers Landesbischof ist die Kirche, auch wenn sie nicht der einzige sinnstiftende Anbieter ist, so doch "ein überzeugender". Jedoch nicht institutionell, sondern in der Erfahrung des einzelnen Menschen.

[reference:nid=50087]

Im Anschluss an die Aufzeichnung der Talkshow war es möglich den "Tacheles"-Gästen fragen zu stellen. Die Antworten sind unter www.tacheles.tv nachzulesen. Die Talkshow ist am 23. Oktober um 17 Uhr auf dem Sender Phoenix zu sehen. Am 6. November wird die nächste "Tacheles"-Sendung aufgezeichnet. Das Thema der Talkrunde: "Gerechtigkeit". Als Gäste sind unter anderem der sächsische Landesbischof Jochen Bohl und der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Frank Bsirske eingeladen.

Die Talkshow "Tacheles" wird getragen von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der hannoverschen Landeskirche und der Klosterkammer Hannover.


Rosa Legatis arbeitet als freie Journalistin in Hannover.