Welternährungstag: Kekse für das Pandschir-Tal

Welternährungstag: Kekse für das Pandschir-Tal
Nach einer Missernte sind die Getreidespeicher in Afghanistan leer. Viele Familien brauchen dringend Hilfe, um den Winter zu überstehen. Aber international macht sich Spendenmüdigkeit breit.
14.10.2011
Von Agnes Tandler

Es ist eine kleine, unscheinbare weiße Packung, die morgens auf die Kinder wartet. Doch in der armen abgelegenen Gegend im Pandschir-Tal in Nordafghanistan ist sie der Grund für viele, überhaupt zur Schule zu kommen. Die Packung Kekse, die jeden Tag an Tausende Schulkinder im ganzen Land verteilt wird, ist für viele lebenswichtig.

"Es ist manchmal das einzige, was die Kinder zu essen bekommen", sagt Challis McDonough vom UN-Welternährungsprogramm in Kabul. Das Gebäck, das im westafghanischen Herat hergestellt wird, enthält neben hoch konzentriertem Eiweiß auch Vitamine und Mineralstoffe, die für Wachstum und Entwicklung der Kinder wichtig sind.

Mehr als die Hälfte der Mädchen und Jungen in Afghanistan sind in ihrem Wachstum zurückgeblieben, mehr als ein Drittel hat Untergewicht. Vor allem in den ländlichen Gegenden ist Hunger nach wie vor ein Problem.

Im November erschöpft sich der Vorrat an Energiekeksen

Das Pandschir-Tal mit seinen steilen Berghängen und harten Wintern ist nur 150 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernt. Viele Familien dort haben nicht genug zu essen. Die Energiekekse, die in vielen Schulen der Gegend verteilt werden, sollen die Eltern dazu bringen, ihre Kinder - besonders die Mädchen - zum Unterricht zu schicken. Denn die Gegend ist konservativ und Bildung alles andere als selbstverständlich.

Doch die schlechte Getreideernte und die hohen Lebensmittelpreise haben die Kosten für das Hilfsprogramm in diesem Jahr in die Höhe getrieben. Es wird immer schwerer, die Schulen weiter zu beliefern, über die zwei Millionen Kinder in Afghanistan etwas zu essen bekommen. Im November wird der Vorrat an proteinhaltigen Energiekeksen erschöpft sein.

"Das alles kommt zu einer Zeit, in der unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten bereits stark beansprucht sind", erklärt McDonough. Das Welternährungsprogramm hat in diesem Jahr deutlich weniger Geld von Regierungen erhalten. Die Wirtschaftskrise in Europa und in den USA sowie das Erdbeben in Japan haben wichtige Geberländer zurückhaltend gemacht. Und auch die Hungerkatastrophe am Horn von Afrika stellt das UN-Hilfswerk vor große Herausforderungen.

Eines der ärmsten Länder der Welt kann sich nicht selbst ernähren

Für Dezember hat Indien eine große Lieferung von Keksen zugesagt, aber die Spende wird nicht ausreichen, um das Programm im bisherigen Maßstab weiterzuführen. Zudem hat inzwischen der Winter im Himalaya eingesetzt. In hoch gelegenen Bergregionen wie Daikundi, Badakschan oder Farah kann die Hilfsorganisation Nahrungsmittel selbst im Sommer nur mit Eseln transportieren. Ab August sind die Dörfer und Siedlungen dort nicht mehr zu erreichen.

Dabei sind Lebensmittelhilfen in diesem Jahr besonders wichtig. Denn die anhaltende Trockenheit hat einen wichtigen Teil der Ernte zerstört. Weizen ist das Hauptnahrungsmittel in Afghanistan. Das Landwirtschaftsministerium schätzt, dass mindestens zwei Millionen Tonnen fehlen, die das Land sonst produziert.

Um die drei Millionen Menschen sind nach UN-Prognosen in diesem Jahr auf Lebensmittelhilfen angewiesen, um durch den Winter zu kommen. Afghanistan, eines der ärmsten Länder der Welt, kann sich nicht selbst ernähren. "Selbst in Jahren mit einer Rekordernte wie 2009 musste Getreide dazugekauft werden", sagt McDonough.

Afghanistan bittet internationale Gemeinschaft um Geld

In Afghanistan sind nur etwa 20 Prozent des kultivierten Landes an Bewässerungssysteme angeschlossen. Der überwiegende Teil ist voll und ganz vom Regen abhängig. Viele Bauern, sagt McDonough, hätten aus Not bereits ihre Tiere verkauft, und seien nun voll auf Lebensmittelhilfen angewiesen.

Afghanistan hat die internationale Gemeinschaft um 142 Millionen US-Dollar (103 Millionen Euro) für Getreide und andere Lebensmittel gebeten. Das Landwirtschaftsministerium hält die Situation in der Hälfte der Provinzen für sehr ernst. Besonders der Norden und Osten litten in diesem Jahr sehr unter der Trockenheit. In diesen Gegenden gewannen die radikal-islamischen Taliban zuletzt stark an Boden. Die Missernte, die hohen Lebensmittelpreise und die geringen Vorräte könnten zum Nährboden für weitere Unruhen werden.

epd

Mehr Informationen zum Thema gibt es bei UNICEF.