Die Sache mit dem Apfel fand Huyen Ly auf Anhieb gut. In ihrer Mittagspause packte die 27-jährige Berliner Modedesignerin ein bisschen Obst in eine Tüte, kaufte noch einen Granny Smith, dann ging sie zu dem Platz in einem Park, wo sie regelmäßig eine Obdachlose sitzen gesehen hatte und steckte der Frau die Tüte zu. Huyen Lys Lohn für die gute Tat war ein "Drop", eine Art virtueller Orden, den sie sich auf der Website doonited.com abholte. Das Internet-Portal hatte sie auf die Idee mit der Lebensmittelspende gebracht. Huyen sagt: "Man tut einfach mehr Gutes, wenn man Inspiration bekommt."
Huyen Ly ist eine von bislang 1.400 Menschen, die sich der virtuellen Sozial-Community seit ihrer Gründung vor zwei Monaten angeschlossen haben. Doonited schlägt seinen Nutzern dem berühmten Pfadfinder-Grundsatz folgend jeden Tag online oder per E-Mail eine gute Tat vor.
Mal fordert es sie auf, das Baby von Freunden zu sitten, mal alten Menschen den Einkauf nach Hause zu tragen oder sich über eine bedrohte Tierart zu informieren. Wer vielen Aufrufen folgt, kann in einem Wohltaten-Ranking aufsteigen. Der spielerische Ansatz soll die User zum Mitmachen motivieren.
Finanzierung mittels Sponsoring
"Viele Menschen spielen mit dem Gedanken, sich zu engagieren, schrecken aber zurück angesichts scheinbar unlösbarer Probleme wie Krieg und Hungerkatastrophen, oder sie misstrauen den Hilfsorganisationen", sagt Oliver Stark, einer der vier Gründer des Unternehmens. Die neue Website spreche genau diese Klientel an. Die Idee für das Internet-Wohlfahrtsprojekt hatte der Medienwirt vor drei Jahren, als er sein Patenkind in einem indischen Dorf besuchte, um sich anzusehen, was mit seinem Geldspenden geschieht. "Ein hochemotionaler Moment", sei das gewesen, sagt Stark, man habe ihn mit Blumen und einem Festmahl empfangen.
Stark wollte fortan mehr Gutes tun, auch im Alltag. Also schrieb er gute Taten auf Zettel, die er faltete und in einen Kochtopf legte. Jeden Tag zog er einen und folgte der Aufforderung. Um die Idee zu verbreiten, gründete der 32-Jährige eine Facebook-Gruppe, die seine Aktion vorstellte. Die Reaktionen waren überwältigend, sagt der Jungunternehmer, aus aller Welt schrieben Menschen, lobten den Einfall. Nur Nachahmer fanden sich selten. Und so entschied sich Stark, die Sache professionell anzugehen. Er kündigte seinen Job, entwarf ein Konzept für eine Website und ein Geschäftsmodell.
Noch finanziert sich doonited vor allem aus den Ersparnissen seines Gründers, erste Sponsoring-Aktionen brachten immerhin ein paar Euro ein. Doonited bietet Unternehmen an, das Daily Good finanziell zu unterstützen, im Gegenzug erscheint deren Logo auf der Internetseite, prominent an die jeweilige Aktion geheftet. Man bewege sich bei der Geldakquise auf einem schmalen Grad, sagt der Firmenchef, doonited soll nicht als Werbeplattform daher kommen, das könnte User abschrecken. Um dem Eindruck der Werbeplattform entgegenzuwirken, sollen die Unternehmen die Wohltaten nicht nur finanzieren, sondern auch mit den eigenen Mitarbeitern umsetzen.
Bewusstseinswandel durch Wohltaten
Doch es geht bei doonited nicht um Tat allein, das Unternehmen will das Bewusstsein für das Gute schärfen, sagt Oliver Stark, Werte vermitteln und Empathie stärken. Auch auf das Prinzip Konditionierung setzt die Seite: Wer einmal Müll aufgehoben hat, weil es seine Tagesaufgabe war, wird vielleicht auch bei der nächsten Gelegenheit nach Abfall bücken, hoffen die Macher. Durch die Möglichkeit, die Daily Goods online zu kommentieren und mit Facebook und Twitter zu verlinken, wüchsen die Ideen: "Wenn wir zum Beispiel dazu aufrufen, heute beim Zähneputzen den Wasserhahn abzudrehen, fangen sie an, sich mit dem Thema zu beschäftigen und schlagen vor, wo man noch überall Wasser sparen kann."
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Das Konzept vom spontanen Engagement passt in einen Trend: Statt sich ehrenamtlich in Wohlfahrtsverbänden und Vereinen zu engagieren, sind vor allem junge Menschen zunehmend in zeitlich begrenzten Projekten aktiv, das zeigen Studien. Als mögliche Gründe nennen Forscher die Flexibilisierung der Arbeitswelt und die gestiegene Mobilität: Langfristige Bindungen passen nicht mehr ins Lebenskonzept vieler, sie lassen sich mit den Anforderungen der modernen Arbeitswelt schwer vereinbaren. Doonited sei für solche Menschen besonders attraktiv, glaubt Stark.
Gründer: Keine Konkurrenz zu Wohlfahrtsverbänden
Als Konkurrenz zu den etablierten Vereinen der Wohlfahrtspflege und Naturschutzorganisationen versteht sich das Netzwerk der Wohltäter dennoch nicht. Im Gegenteil: Doonited fordere immer wieder auf, solche Organisationen mit einer Aktion zu unterstützen, sagt Stark. Abwanderungen nimmt man in Kauf. "Wenn jemand durch die gute Tat motiviert anfängt, bei einer Umweltschutzorganisation mitzumachen, haben wir viel erreicht."
Der Unternehmer hegt große Pläne mit seinem Start-up: Doonited soll eine Bewegung lostreten, am besten weltweit, die gute Tat des Tages einmal neben dem Wetterbericht in Tageszeitungen stehen und an öffentlichen Plätzen als Laufband zum Mitmachen auffordern. Erste Erfolge zeichnen sich ab: Medien hätten ihre Zusammenarbeit angeboten, immer mehr Unternehmen melden Interesse am Daily-Good-Sponsoring an. Stark ist zuversichtlich: "Das wird ein Riesending."
Tobias Kurfer ist freier Journalist in Berlin.