Skurrile Hochzeitswünsche machen Pfarrern zu schaffen

Skurrile Hochzeitswünsche machen Pfarrern zu schaffen
"Wo ist der Sitzplatz für meinen Hund?" - Fragen wie diese können schon mal eine kirchliche Trauung beherrschen. Oft haben Brautpaare und Trauernde kuriose Sonderwünsche. Viele Pfarrer aber meinen: Kirche ist kein Dienstleister für den perfekten Event.
06.10.2011
Von Karsten Packeiser

Manchmal wollen die Angehörigen, dass bei einer Beerdigung statt eines frommen Chorals die Stimme Zarah Leanders erklingt, "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen" aus dem Jahr 1943. Oder der Schlager "Sehnsucht heißt ein altes Lied der Taiga" von Alexandra. Mal räumt die Hochzeitsgesellschaft kurzerhand Kerzen und Kreuz ab, um stattdessen ihre Videoausrüstung auf dem Altar zu installieren. Oder aber eine Braut aus der Biker-Szene möchte mit ihrem Bräutigam nicht in die Kirche hineingehen, sondern auf dem Motorrad einrollen. Bei kirchlichen Amtshandlungen wie Trauungen und Trauerfeiern haben die Deutschen, so scheint es, immer häufiger skurrile Sonderwünsche.

Die meisten Pfarrer könnten mit Berichten aus ihrem Kuriositäten-Fundus problemlos einen ganzen Abend füllen. So wollten sich in einem pfälzischen 700-Seelen-Dorf kürzlich Braut und Bräutigam die Trauringe von ihrem Hund zum Altar bringen lassen. "Ich habe den Leuten das ausgeredet", erzählt Pfarrerin Regine Großmann. Ihr Ehemann Armand Großmann, ebenfalls Pfarrer, war schon bei seiner ersten Taufe vor mehr als 25 Jahren gehörig aus dem Konzept gebracht worden: Ein Großvater mit Videokamera hatte die Kanzel besetzt. "Mein Eindruck ist, so etwas nimmt zu", sagt er.

Mehr Gelassenheit für die Hochzeit

"Der Pfarrer oder die Pfarrerin ist für viele ein Dienstleister", klagt Susanne Schmuck-Schätzel, evangelische Dekanin in Alzey, die regelmäßig auch die Beschwerden enttäuschter Kirchenmitglieder zu hören bekommt. Für Kirchenleute, die nicht jeden Unsinn mitmachen, aber die Menschen auch nicht vor den Kopf stoßen wollen, werden die Vorbereitungsgespräche für Trauungen und Beerdigungen häufig zur Gratwanderung. Allzu Prinzipientreuen wird schon einmal mit dem Kirchenaustritt gedroht.

Am schwierigsten seien solche Trauungen, bei denen das Brautpaar eine professionelle Hochzeitsagentur für die Organisation einschaltet, sagt Schmuck-Schätzel: "Die haben mir schon erklären wollen, wie ich in meine Kirche hineingehen soll."

Sie appelliert an jungen Paare, mit etwas mehr Gelassenheit an die eigene Hochzeit heranzugehen. Wer sich eine bis ins letzte Detail perfekt durchorganisierte Trauung wünscht, bringt sich dabei manchmal um die Freude an dem Tag. Sie habe auch schon eine Hochzeit erlebt, sagt Schmuck-Schätzel, bei der die Stimmung stark darunter gelitten habe, dass man sich nicht über den Sitzplatz für den Boxer-Hund der Familie habe einigen können.

Wenn der Vater seine Tochter zum Alter bringen soll

Es sind allerdings einige zentrale Themen, die überall und regelmäßig für Ärger bei der Planung kirchlicher Trauungen sorgen: etwa Wünsche nach einem Gottesdienst in der freien Natur oder Film- und Fotoverbote während der Trauzeremonie. Viele Frauen bestehen zudem bis heute darauf, nach Hollywood-Manier von ihrem Vater an den Altar gebracht zu werden.

Da der mittelalterliche Brauch, die Frau symbolisch in den Besitz der Familie ihres Mannes zu übergeben, in vielen Kirchen nicht gerngesehen wird, sind Konflikte vorprogrammiert. "Ich bin da raus und hab nur noch geweint", klagt Internetnutzerin Netty210 in einem Hochzeitsforum über ein missratenes Traugespräch. "Ist es wirklich so schrecklich, wenn man seine Wünsche durchsetzt?"

Wo Pfarrer die Hochzeit garantiert nicht "stören"

Die Mainzer Kirchenmusikerin Barbara Pfalzgraff hat zum Einzug der Brautleute in die Kirche auch schon einmal den Song "Nothing else matters" der Heavy-Metal-Gruppe "Metallica" auf der Kirchenorgel gespielt, weil es gut zu den Brautleuten gepasst habe. "Das Paar hat sich wahnsinnig darüber gefreut", sagt sie. Außerdem habe sich das Stück gut auf der Orgel angehört.

"Meiner Meinung nach sollten die Kirchen kulanter sein", meint auch Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur "Aeternitas" in Königswinter. Schließlich sei es kein Zufall, dass immer mehr Bestattungen ganz ohne kirchliche Beteiligung stattfänden. Hochzeiten, bei denen freie Redner für eine würdevolle Zeremonie sorgen, sind seit Jahren ohnehin nichts Ungewöhnliches mehr.

Paaren, die sich für ihre Hochzeit zwar das hübsche Ambiente alter Kirchengemäuer wünschen, auf kirchliche Segensworte aber gerne verzichten, bietet sich übrigens ein Ausweg: Mancherorts sind inzwischen bereits standesamtliche Trauungen in entwidmeten Gotteshäusern möglich. Von der heimeligen Kapelle bis hin zur imposanten Nikolaikirche in Berlin-Mitte reichen die Angebote - und garantiert "stört" kein Pfarrer den Ablauf.

epd