"Zitterpartie": Parkinson, die DDR und jede Menge Glück

"Zitterpartie": Parkinson, die DDR und jede Menge Glück
Die Diagnose, die "Spiegel"-Redakteur Stefan Berg im Herbst 2008 von den Ärzten erhielt, lautet: Morbus Parkinson. Jetzt ist seine Erzählung "Zitterpartie" erschienen. Im Gespräch mit evangelisch.de äußert sich der 47-jährige Vater von vier Kindern über seine Krankheit, die Leistungsgesellschaft, seine Herkunft aus der DDR - und was für ihn Glück bedeutet.
05.10.2011
Die Fragen stellte Markus Bechtold

Herr Berg, der Titel Ihres Buches lautet "Zitterpartie". Was macht Morbus Parkinson mit Ihnen?

Berg: Die Krankheit funktioniert so, das bestimmte Botenstoffe nicht mehr ausreichend im Gehirn hergestellt werden, die wichtig für die Koordination und die Bewegung der Gelenke sind. Dann zittert man. Der Buchtitel "Zitterpartie" ist aber auch als Metapher gemeint. Denn ich erzähle von zwei Krankheiten: Die erste Krankheit, die mich getroffen hat, war die DDR und das Leben in der DDR. Die zweite Krankheit ist Morbus Parkinson. Aber auch in der DDR war das Leben immer eine Zitterpartie. Ich fragte mich stets: Wie weit kannst Du gehen? Wie groß ist das Risiko? Deswegen bezieht sich der Titel des Buches einerseits auf die Krankheit, andererseits ist er aber auch durchaus symbolisch gemeint.

Es wird immer behauptet, wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Ist die Krankheit vielleicht aber auch eine Chance?

Berg: Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und werden damit ständig in der Werbung oder in den Stellenanzeigen konfrontiert. Ich frage mich: Was ist mit denjenigen, die diese Leistung nicht erbringen können? Wie würde man diese Menschen nennen: die Überflüssigen, die Leistungslosen, die Verlierer? Deswegen ärgert und stört mich der Begriff der Leistungsgesellschaft! Er bezieht sich stets auf die Starken. Aber diese Stärke bezieht sich nur auf Menschen, die richtig rackern können. Menschen, die anderen helfen, sind damit nicht gemeint.

Haben die Veränderungen in Ihrem Leben auch Ihren Glauben verändert?

Berg: In Krisenzeiten erinnere ich mich an bestimmte Sätze aus dem Vaterunser. Insofern wird mir wieder bewusst, aus welchen Quellen man eigentlich lebt. Das hatte ich zwar nie ganz vergessen - jetzt aber denke ich öfter daran.

Was ist für Sie Glück und wofür sind Sie dankbar?

Berg: Ich bin dafür dankbar, dass ich so reichlich beschenkt worden bin. Jetzt habe ich etwas Pech gehabt und was der liebe Gott sich dabei denkt, das werde ich ihn später einmal fragen. Aber 44 Jahre habe ich nur Glück gehabt: In der DDR bin ich gut durchgekommen, ich habe einen tollen Job, ich habe eine große Familie, die mich bis heute sehr glücklich macht! Manchmal betrübt mich die Krankheit, aber die positiven Dinge überwiegen. Das ist wirklich ein sehr großes Glück.


Stefan Bergs "Zitterpartie" ist in der edition chrismon erschienen (128 Seiten, 12,90 Euro). Die erste Erzählung des "Spiegel"-Redakteurs gibt Einsichten in die Gedankenwelt eines unheilbar Kranken.

Markus Bechtold ist Redakteur bei evangelisch.de.