Facebook-Fanseiten sind im Norden unerwünscht

Facebook-Fanseiten sind im Norden unerwünscht
Bis zum letzten Septembertag sollten alle Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in Schleswig-Holstein ihre Fanseiten und "Gefällt mir"-Buttons bei Facebook abschalten, da der Datenschutzbeauftragte massive Bedenken gegen sie hat. Die meisten warten aber erstmal ab. Nun will das Datenschutzzentrum in Schleswig-Holstein schon diese Woche Mahnungen verschicken.
04.10.2011
Von Miriam Bunjes

Thilo Weicherts Ultimatum ist am Wochenende abgelaufen: Am 1.Oktober sollten alle Facebook-Fanseiten und auch die Einbindung von Facebook über "Gefällt mir"-Buttons von schleswig-holsteinischen Webseiten verschwunden sein. "Wir werden schon diese Woche damit beginnen, Abmahnungen zu verschicken", sagt der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein. "Erstmal bitten wir, dass rechtskonforme Zustände hergestellt werden. Ändert sich dann immer noch nichts, sind andere Sanktionen möglich." Auch Bußgelder von bis zu 50.000 Euro.

Für Unternehmen und Behörden gilt deutsches Recht

Thilo Weichert sieht durch die Seiten und auch beim Klicken auf den erhobenen Facebook-Daumen die Datensicherheit der Benutzer stark gefährdet. Über die Fanseiten und die Like-Buttons sammele Facebook vom Nutzer unbemerkt personenbezogene Daten in den USA. "Wer einmal bei Facebook war oder ein Plugin genutzt hat, muss davon ausgehen, dass er von dem Unternehmen zwei Jahre lang getrackt wird", schreibt das Unabhängige Datenschutzzentrum (ULD) in Kiel. Darüber würden Nutzer nicht hinreichend informiert.

Die Hinweise in den Nutzungsbedingungen bei Facebook genügten deutschen Rechtsanforderungen "nicht annähernd und vor allem: Dass Facebook sich nicht daran hält, entbindet die heimischen Unternehmen und Behörden nicht davon, sich an hiesiges Recht zu halten." Deshalb soll das nördlichste Bundesland Fanseiten frei werden – zumindest was Unternehmen und Behörden betrifft. Von der Datenschutzbehörde gemahnt und sanktioniert werden in den kommenden Tagen und Wochen insbesondere die Großen im Bundesland. "Wir werden exemplarisch vorgehen", sagt Weichert. "Wir gehen erst die großen und bekannten Firmen und Behörden an – und hoffen dann, dass unser Vorgehen auch bei den Kleinen Wirkung zeigt."

"Die Rechtslage ist nicht eindeutig"

Einige haben bereits reagiert. Pünktlich zum Ende der vom ULD gesetzten Frist hat mit den Kieler Nachrichten ein großer Verlag sein Facebook-Angebot abgestellt. Und die schleswig-holsteinischen Grünen haben einen "Facebook-Streik" ausgerufen und wollen ihre Seite einen Monat lang nicht nutzen.
"Es haben sich sehr viele besorgte Unternehmer an uns gewandt", sagt Tina Möller, Rechtsreferentin der schleswig-holsteinischen Industrie- und Handelskammer (IHK). "Der Großteil will jetzt aber erstmal abwarten, ob die Datenschützer Ernst machen und damit auch durchkommen."

Auch die IHK hat das Ultimatum des Datenschützers nicht akzeptiert. "Die IHK Schleswig-Holstein wird auch in Zukunft die Facebook-Plattform sowie andere Social-Media-Netzwerke zur Kommunikation mit Ihren Mitgliedern nutzen", teilt Rechtsexperte Marcus Schween in einer Videobotschaft mit. Die Rechtslage sei nicht so eindeutig, wie vom Datenschutzzentrum dargestellt und es sei fraglich, ob überhaupt Bußgelder erhoben werden dürften. "Wir scheuen auch nicht die gerichtliche Auseinandersetzung, die wir stellvertretend für unsere Unternehmen führen würden, um Rechtssicherheit zu erlangen", sagte Schween. Facebook sei wichtig für das Geschäft und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. "Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein darf hier nicht den Anschluss verlieren."

"Der bleibt auch erstmal"

Auch die schleswig-holsteinische Landesregierung hat noch einen aktiven "Gefällt mir"-Button auf der Seite. "Der bleibt auch erstmal", sagt der stellvertretende Regierungssprecher Rainer Thumann. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hatte Datenschützer Weichert bereits Mitte September in einer Landtagsrede scharf kritisiert. Die Drohungen mit Sanktionen seien kontraproduktiv und rechtlich fragwürdig. "Es fehlt ein Dialog mit den zuständigen Stellen", fasst der Regierungssprecher Thumann zusammen.

Es werde sowieso keinen schleswig-holsteinischen Sonderweg geben. "Das ist bei einem weltweiten sozialen Netzwerk unsinnig", sagt Thumann. Man werde bei der Ministerpräsidentenkonferenz Ende des Monats über ein einheitliches Vorgehen beraten. Der "Gefällt mir"-Button auf schleswig-holstein.de sei sowieso nur für Facebook-User zugänglich. "Und die haben ja den Facebook-Bedinungen zugestimmt", sagt Thumann. "Da sehe ich kein Rechtsproblem."

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und aller Länder sehen da mehr Probleme: In einem gemeinsamen Beschluss am 29. September fordern sie alle öffentlichen Stellen auf, keine Social Plugins auf ihren Seiten zu verwenden, solange die Rechtslage ungeklärt ist. Ob sie wie Thilo Weichert gegen Fanseiten-Betreiber vorgehen werden, ist fraglich – aber möglich. Niedersachsen warnt Seitenbereiter bereits vor möglichen Folgen. Den Facebook-Daumen halten jedenfalls noch viele hoch – auf Seiten aus allen Himmelsrichtungen.


Miriam Bunjes ist freie Medienjournalistin in Bonn.